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Ein erfrischend
kindlicher Film

»Die Chroniken von Narnia«

Ein phantastisches Filmmärchen soll zu Weihnachten die Nachfolge der »Herr der Ringe«-Trilogie antreten und die Kinokassen klingeln lassen. Mit der Verfilmung des englischen Kinderbuchklassikers »Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia« will Disney an glorreiche Filmzeiten anknüpfen und eine eigene umsatzträchtige und langlebige Fantasy-Reihe ins Leben rufen.

Immerhin hat der englische Autor C.S. Lewis vor über 50 Jahren mit seinen Narnia-Chroniken eine siebenbändige Saga geschaffen, die in Großbritannien jedes Schulkind gelesen hat. Die erste Verfilmung, die auf den zweiten und erfolgreichsten Buchtitel »The Lion, the Witch and the Wardrobe« (Weltauflage: 95 Millionen) zurückgeht, spart denn auch nicht mit Superlativen: Bis zu 130 Millionen Euro soll die Produktion gekostet haben, und für die sehenswerten Effekte wurden »Oscar«-gekrönte Experten wie George Lucas' Firma Industrial Light & Magic und die »Ringe«-Spezialisten gewonnen.
Dabei ist der Film um die Abenteuer von vier Geschwistern im Sagenreich Narnia erfrischend kindlich und märchenhaft. Peter, Suse, Edmund und Lucy Pevensie werden wegen der deutschen Bombenangriffe auf London aufs Land gebracht. Dort entdecken sie einen geheimnisvollen Schrank, durch den sie nach Narnia kommen, wo seit über 100 Jahren die böse weiße Hexe (Tilda Swinton) in ewigem Winter herrscht. Sie sind Teil einer uralten Prophezeiung: Vier Kinder werden kommen, um Narnia vom Fluch der Hexe zu befreien, so dass der gute König Aslan - ein mächtiger, sprechender Löwe - auf den Thron zurückkehren kann.
Vieles an der Geschichte von Lewis erinnert an den biblischen Kampf zwischen Gut und Böse, und er verschleiert kaum die Parallelen, indem er Aslan als vergebenden Christus porträtiert, der von den Toten aufersteht. So bewirbt Disney denn auch sein Märchen bei den US-Kirchen offensiv als christliche Parabel - und die sind nur zu gern darauf angesprungen, haben Tickets, Bücher und Material geordert.
Doch »Narnia« ist vor allem ein schönes Weihnachtsmärchen: Eltern dürften sich unweigerlich an die Verfilmungen von Andersens »Schneekönigin« erinnert fühlen. Auch die gemächliche Erzählweise, die sich intensiv den kindlichen Charakteren widmet, legt nahe, dass es sich um einen Festtagsfamilienfilm handelt, den Eltern ihrer Kinder zuliebe besuchen, und nicht etwa um ein Fantasy-Abenteuer für Erwachsene.
Dennoch können sich die Actionszenen und Spezialeffekte sehen lassen und müssen keinen Vergleich scheuen. Die 23 verschiedenen Spezies, von Minotauren bis zu Zyklopen, sind häufig eine Mischung aus mannsgroßen Puppen und am Computer generierten Effekten - und wirken so natürlicher und echter als viele andere reine Cyberkreaturen. Die entscheidende Schlacht zwischen Aslans Truppen und den Horden der Hexe kommt in bester »Ringe«-Manier daher, auch wenn »Shrek«-Regisseur Andrew Adamson bei seinem ersten Realspielfilm nicht versucht hat zu kopieren. Es fließt kaum Blut, und die Grausamkeiten wurden auf ein kindgerechtes Maß reduziert.
Der Film ist eben nicht zuletzt ein sauber durchkomponiertes Disney-Werk, das die Kinosäle ganz sicher mit Kinderscharen füllen wird. Doch einen weltumspannenden Hype wie seine Fantasy-Vorbilder wird er wohl eher nicht auslösen.

Artikel vom 08.12.2005