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Tsunami auch ein Jahr danach
noch in den Köpfen präsent

Bielefelder Schulen blicken beim Weltfrühstück zurück auf die große Flut

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Kinder in Bielefeld haben den Tsunami nicht vergessen. Knapp ein Jahr nach der Katastrophe, die 230 000 Leben am zweiten Weihnachtstag auslöschte, wirkt das Beben in OWL noch nach.
Reporter Sven Voss berichtete für »logo«, die ZDF-Kindernachrichten, aus Silavati auf Sri Lanka.

Das weiß auch Sven Voss, ZDF-Reporter von »logo«, der gestern beim Weltfrühstück mit Schülern der 7b aus der Kuhlo-Realschule noch einmal zurückschaute. Zehn Reportagen aus Sri Lanka hat er den speziell für Kinder und Jugendliche aufbereiteten TV-Nachrichten geliefert.
»Deutsche Kinder sind sehr betroffen, wann immer sie von Naturkatastrophen oder Kriegen hören«, weiß der jugendliche ZDF-Mann. Wichtig sei, das Gesehene zu erklären. So schildert er am Beispiel des zwölfjährigen Mädchens Rangani, wie die Riesenwelle sein Dorf Silavati überrollte, wie es die Katastrophe überstand.
Demnächst möchte Voss seinen jungen Zuschauern zeigen, wie Rangani endlich wieder in ihr Dorf, das dann ganz anders aussieht, zurückkehren kann. Die gesamte Region Mullaittivu wird von der Stadt Bielefeld und zahlreichen Initiativen unterstützt. 130 000 Euro flossen bereits direkt nach Silavati. Kein Wunder, dass in dieser Woche elf Schulen und Kindertagesstätten am Projekt »Weltfrühstück« teilnehmen.
»Wer hat heute noch nicht gefrühstückt«, fragte gestern Angela Tamke von der ausrichtenden Welthungerhilfe ganz beiläufig die Kuhlo-Schüler. Vier, fünf Finger hoben sich vorsichtig.
Wie das ist, wenn Menschen nicht freiwillig, sondern aus Not mit leerem Magen in den Tag starten, das schilderte die Referentin für Globales Lernen anhand einer kleiner blauen Teekanne aus Mali. In Afrika muss möglichst viel Zucker in dem heißen Getränk das ersetzen, was hierzulande mit Marmelade beginnt und über Cornflakes bis zum Rührei mit Speck reichen kann.
Bilder von den Zerstörungen der Monsterwelle, die Sven Voss mitgebracht hatte, ließen erkennen, was es heißt, nicht nur arm zu sein, sondern auch von der Natur schwer geschlagen zu werden.
Der Tsunami ist vorbei, die Welle ausgerollt, Hunger und ansteckende Krankheiten sind gottlob ausgeblieben. Aber dennoch ist nichts mehr, wie es war. Gerade deshalb sollen sich die Schüler mit Ess- und Lebensgewohnheiten auseinandersetzen. Nachhaltigkeit ist in aller Munde, aber nirgends besser zu verstehen als in dem Bemühen, dass der Neubeginn nach dem Tsunami ein Start in ein insgesamt besser abgesichertes und informiertes Leben wird. Die Themen Wasser, Reis, Bananen, Feldarbeit, Kinderarmut und Kinderrechte stehen in Bielefeld derzeit ganz oben auf dem Stundenplan.
Alles wird in den größeren Zusammenhang gestellt. »logo« würden niemals einfach nur ein Kind mit einem Gewehr zeigen, erzählt Sven Voss. Wenn Kindersoldaten bei »logo« ins Bild rücken, »dann erklären wir auch das Umfeld«. Nach besonders bewegenden Ereignissen klingelt das Kinder-Telefon. Man könne Kindern schockierende Nachrichten durchaus erklären, man dürfe sie aber nicht damit nicht allein lassen.
Auch die Bielefelder Schüler wollen mehr wissen. Besonders interessiert natürlich, was hinter der Kamera passiert und was ein Filmteam so alles erlebt. Bei einem politisch heiklen Land wie Sri Lanka reicht schon die Erzählung von der Durchsuchung an der Straßensperre, um atemlose Stille aufkommen zu lassen.
In Sri Lanka selbst sind die Zeltstädte, in denen noch im Sommer viele der Tsunami-Opfer wohnten, inzwischen seltener geworden - doch es gibt sie noch. Die Helfer standen zum Jahreswechsel vor gigantischen Aufgaben.
40 000 der 20 Millionen Einwohner auf der Insel kamen ums Leben, fast 80 000 Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört. Inzwischen stellen die internationalen Helfer dem Wiederaufbau trotz der Probleme ein befriedigendes Zeugnis aus. »Die Dinge beginnen, sich zu bewegen«, sagt zum Beispiel der Leiter von CARE International in Sri Lanka, Nick Osborne. »Wir haben gelernt, dass es einfach eine lange Zeit dauert.«

Artikel vom 07.12.2005