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Humor

Ein bisschen Spaß
ist Ihr gutes Recht!

Über Elend in der Welt gab es leider auch im vergangenen Jahr wieder mehr als genug zu berichten. Viele der Seiten dieses Jahresschluss-Magazins des WESTFALEN-BLATTES legen davon Zeugnis ab. Glücklicherweise jedoch ist der Mensch so angelegt, dass er auch im Schlimmen manchmal das Fünkchen erkennt, das die Stimmung aufzuhellen imstande ist.

Alles Theater: Mario Adorf als Hagen von Tronje in der Dieter-Wedel-Inszenierung »Die Nibelungen«. Aus strafrechtlicher Sicht sind die »Ring«-Akteure eine Bande schwerer Jungs. Und auch der Siegfried-Killer Hagen ist demnach ein »Lebenslänglicher«.

Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht. Am Wahrheitsgehalt dieses Bonmots, das dem deutschen Feingeist Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910) zugeschrieben wird, gibt's nach wie vor nichts zu rütteln. Und das gilt gerade für den Bereich der Justiz, in dem alle Beteiligten zumeist ja doch die ernstere Seite des Lebens zu verhackstücken haben.
Gerade deshalb vielleicht sind Juristen, wenn sie denn einmal zum Stift greifen ohne den Zwang, in Paragraphen reden zu müssen, oftmals recht humorvolle Schreiber. Wer sich beispielsweise über Herbert Rosendorfers Kulturschock-Klassiker »Briefe in die chinesische Vergangenheit« nicht kringeln kann, der sollte sich einem Therapeuten anvertrauen - wg. des Verdachtes auf totale Humorlosigkeit.
Rosendorfer (er ist Jahrgang 1934 und Richter im Ruhestand) hat darin einen gebildeten Mann des alten China wegen der Fehlfunktion seiner Zeitmaschine im modernen München landen lassen. Was der »Ki-Neng-Se« aus dem Jahr 985 bei den 1000 Jahre später lebenden Großnasen im Lande »Ba-Yan« erlebt, ist nicht nur für ihn höchst verwunderlich. Auch uns selbst hält Rosendorfer damit den Spiegel für eine schräge Selbstbetrachtung vor. Der Autor war übrigens nicht von ungefähr »nebenher« von 1990 an Honorarprofessor für Bayerische Gegenwartsliteratur an der Universität München. Das nonjuristische Werk des Richters a.D. unfasst nämlich weit mehr Schriftstücke als die besagten chinesischen Briefe. Der hintergründige Humor ist ihnen zumeist gemein.
Gewissermaßen ein Standardwerk humorvoller Juristenautorenschaft, immer wieder neu aufgelegt, ist »Richard Wagners ÝRing des NibelungenÜ im Lichte des deutschen Strafrechts« von Ernst von Pidde.
Der Gifhorner Amtsrichter und Wagner-Fan, 1966 nach 89 Lebensjahren verstorben, zerpflückte das Mammutwerk unter Strafrechtskriterien der 1960er Jahre - und kam zu einer erschütternden Bilanz. Richard Wagners gefeiertes Musikdrama offenbart sich unter den Augen des gestrengen Richters als ein Konglomerat von Verbrechen schwersten Kalibers. Mord und Totschlag, Verschleppung und Diebstahl, Brandstiftung, Blutschande und Tierquälerei - kaum ein (Gewalt-)Verbrechen, an dem es der Ode fehlt. So gehörten, mit Ausnahme der Rheintochter Floßhilde, sämtliche im »Ring« Agierende eigentlich in den Knast, davon ist Ernst von Pidde überzeugt: Fünf mal lebenslange Haft und nochmal 90 Jahre Freiheitsentzug hat er - humorvoll, aber fundiert - für Hagen & Co. zusammengerechnet.
Ebenfalls bei Gerichte verdient sich Wilfried Ahrens (Jahrgang 1950) seine Brötchen. Der Göttinger Oberstaatsanwalt stolpert seit Jahren über Protokolle, Niederschriften, Eingaben und Aussagen mit gar merkwürdigen Wendungen, die in der Ernsthaftigkeit des juristischen Tagesgeschäft oft genug mitlaufen, ohne dass einer sich wundern würde. Was wiederum kein Wunder ist: Schließlich ist die Sprache der Rechtsanwender und -verdreher oft genug so weit von jener auf der Straße entfernt, dass es dafür eigentlich eines Extra-Wörterbuches bedürfte.
Bei Ahrens reichten die skurrilen Fundstücke inzwischen für den dritten Sammelband: »Der Angeklagte kam in Bekleidung seiner Frau« ist der Titel seiner jüngsten juristischen Stilblütenmischung. Ob der Mann wirklich in ihrer Bekleidung oder doch »nur« in ihrer Begleitung kam - wer will das noch wissen?
Überhaupt scheint die Akustik in Gerichtssälen Pannen bei der Mitschrift zu begünstigen. Im Urteil einer Jugendkammer fand Ahrens zur Begründung: »Dem Einfluss der Massenmädchen ... sind in sich noch nicht gefestigte junge Leute schutzlos ausgeliefert.« Gut, dass es diesmal nicht die Massenmedien waren, die mit schlechtem Vorbild vorangaloppierten, nicht wahr? Ein anderes Hauptverhandlungsprotokoll behauptet gar: »Der Angeklagte arbeitet bei den 7 Zwergen« - gemeint waren in diesem Fall die Siemens-Werke.
Fundgruben sind für den fröhlichen Oberstaatsanwalt, dessen vorausgegangene Zitatensammlungen »Der Unfallort hat sich bereits entfernt« und »Der Geschädigte liegt dem Vorgang bei« sich bereits dritter bzw. sechster Auflage erfreuen, stets auch Polizeiprotokolle. Ungewollt selbstkritisch etwa jener Eintrag: »Die Festzunehmende war psychisch auffällig. Sie liebt Polizeibeamte.« Der Unfall einer Radlerin ging hoffentlich wirklich so positiv aus, wie nachfolgend im Polizeibericht notiert: »Hierauf verlor die Radfahrerin das Übergewicht und kam zu Fall.«
Doch auch Zeitungsleute formulieren - ob nun gewollt oder ungewollt lassen wir mal offen - manchmal zweideutig. Das sei hier zugegeben. So in diesem von Ahrens dokumentierten Fall, in dem es an Beamtinnen fehlte, um verdächtige Frauen auf Waffen, Drogen und dergleichen verbotene Dinge körpernah zu durchsuchen. Schwarz auf weiß hieß die Titelzeile zu dieser Geschichte schlussendlich: »Polizei sucht Frauen zum Abtasten«.

Ein Beitrag von
Ingo Steinsdörfer

Artikel vom 31.12.2005