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Schnell raus aus dem Schatten der Schwester

Der Schauspieler, Filmemacher und Opernregisseur Maximilian Schell wird morgen 75

Von Irmgard Schmidmaier
Wien (dpa). Den schwarzen Schal locker um den Hals, souverän und humorvoll - Maximilian Schell, Schauspieler, Filmemacher, Opernregisseur und der einzige deutschsprachige Schauspieler mit Oscar-Ehren, aktiv wie eh und je. Morgen wird er 75 Jahre alt.
Suche nach dem Wichtigen: Maximilian Schell.

Er ist »immer noch auf der Suche« nach dem eigentlichen Traumberuf. Das bekannte Schell jetzt in Wien, wo er kurz eine Retrospektive zu seinem filmischen Werk eröffnete. Dabei liegt es ihm mehr, nach vorne zu schauen, als zurück. Feiern wird er seinen 75. jedenfalls nicht.
Überhaupt misst er den realen Daten wenig Bedeutung zu und sieht sich als Zeiten übergreifende Existenz: »Ich bin ja 1793 geboren, nicht 1930. Ich bin ein Vampir«, scherzte er in einem Gespräch. Das war in diesem Frühling, kurz, bevor seine Schwester Maria in Kärnten starb. Ein schwerer Schlag für den Künstler, der sich sehr um die ältere Schwester gekümmert hatte. Sein bislang letzter eigener Film ist ihr gewidmet: »Meine Schwester Maria« ist ein sehr einfühlsames Porträt einer einst weltbekannten, erfolgreichen Schauspielerin, die sich selbst allmählich entgleitet.
Das Verhältnis zu Maria war jedoch nicht immer so nah wie in den vergangenen Jahren, im Gegenteil. Aus dem Schatten der Schwester hat sich Schell, am 8. Dezember 1930 in Wien geboren und in der Schweiz aufgewachsen, dann doch schnell gelöst. Der »Oscar« für seine Rolle des Verteidigers in »Das Urteil von Nürnberg« 1961 machte ihm zum Weltstar und trieb die Hollywood-Karriere voran. Es folgten »Topkapi« (1964), »The Deadly Affair« (Anruf für einen Toten, 1967), »Counterpoint« (Der Befehl, 1967).
Dennoch blieben ihm die großen Rollen vorenthalten, was ihn mit einer manchmal nur wenig überspielten Bitterkeit erfüllte. In Amerika blieb der Charmeur und Bonvivant mit Schweizer Pass ebenso Außenseiter wie in Deutschland. Dort präsentierte er sich erst 1983 in »Morgen in Alabama« wieder auf der Leinwand und rief sich in »Rosengarten« (1990) als brillanter Schauspieler in Erinnerung.
Gleichzeitig profilierte sich Schell als Dokumentarfilmer. Er war der Einzige, der die extrem zurückgezogene Marlene Dietrich zu Interviews überreden konnte. Seine Dokumentation »Marlene« (1983) wurde mit dem New Yorker Kritikerpreis ausgezeichnet. Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen, wandte sich Schell, dem die Bühne immer sehr am Herzen lag, auch der Oper zu.
In Los Angeles, wo er zeitweise wohnt, inszenierte er auf Einladung von Placido Domingo 2001 Wagners »Lohengrin« und in diesem Jahr Richard Strauss' »Rosenkavalier«. Kein Geringerer als Dirigent Kent Nagano zollt dem Multitalent Schell großen Respekt. Der souveräne Schauspieler mit dem schlohweißen Haar und den charakteristischen Zügen strahlt heute eine Mischung von Väterlichkeit und Unnahbarkeit aus. Ein Zug, der dem vielseitigen Künstler zur Zeit große Präsenz im Fernsehfilm beschert. So stand er in den vergangenen Monaten für die Filme »Die Rückkehr des Tanzlehrers« und »Die Liebe eines Priesters«, zuletzt »für den internationalen Zweiteiler »Die Muschelsucher« vor der Kamera.
Er selbst sieht sich in allen Tätigkeiten auf der Bühne und im Film stets als Suchender: »Die Suche nach dem Wichtigen, dem Wesentlichen, das ist es, was den Schauspieler ausmachen kann«.

Artikel vom 07.12.2005