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Vitaminpillen
statt Drogen

Mehr Jugendschutz in Diskotheken

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Köln (WB). Ehemalige Drogenkonsumenten sollen in Diskotheken und auf Partys Vitaminpillen, Kondome und Ohrenschutz an Jugendliche verteilen. Das empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln. Diskothekenbetreiber sehen darin wenig Sinn.
Tanzen bis zur Ekstase klappt auch ohne Drogen. Foto: dpa
Um den Schutz der Gesundheit zu verbessern, sollten so genannte »Peers« Jugendliche aufklären, betont die BZgA. »Peers sind gleich alte, geschulte Jugendliche, die selbst schon einmal Drogen genommen haben«, sagte Marita Völker-Albert von der BZgA dieser Zeitung. Sie wirkten auf junge Leute vertrauenswürdig und sollten vor dem Konsum von Cannabis, Ecstasy oder Amphetaminen warnen.
»Wir stellen fest, dass der Cannabis-Konsum in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat«, betonte Völker-Albert. Mehr als 40 Prozent der 20- bis 25-Jährigen hätten das Rauschgift bereits probiert. Cannabis könne Psychosen auslösen, nicht zuletzt in Verbindung mit Alkohol sei die Droge gefährlich. Nachdem die Bundeszentrale einen Leitfaden für die Aufklärung über Drogen in Schulen vorgelegt hatte, weitet sie jetzt mit dem Ratgeber »Nachts Leben: Gesundheitsförderliche Maßnahmen im Nachtleben« den Adressatenkreis aus. Neben Einrichtungen der Drogenhilfe und Jugendämtern sollen Party-Veranstalter und Diskotheken-Betreiber mit in die Pflicht genommen werden.
Die Bundeszentrale hält Ruheräume, Leseecken und Info-Stände, auf denen vor Drogen gewarnt wird, für sinnvoll. Außerdem sollten Veranstalter sich verpflichten, mindestens zwei Getränke anzubieten, die günstiger sind als die alkoholhaltigen. Die Jugendschützer wünschen sich mehr Alternativen zu Bier und Co., wie Vitamin- und Mineralstoffgetränke. Für Party-Veranstalter bedeute die Umsetzung des Leitfadens einen Image-Gewinn. Marita Völker-Albert: »Diskotheken-Besitzer wollen als seriöse Anbieter dastehen und können kein Interesse an illegalen Drogen haben.«
Der Betriebsleiter der »Nachtarena« in Bielefeld, Sven Janus, begrüßt die Zusammenarbeit mit der Drogenberatung, bezweifelt aber gleichzeitig den Sinn einiger Vorschläge im Ratgeber: »Wir haben keine Probleme mit Aufklärung und bekämpfen konsequent, etwa durch Kontrollen auf den Toiletten, den Konsum von Partydrogen wie Kokain und Speed. Aber Vitaminpillen werden zum Beispiel von den Besuchern nicht angenommen.« Er habe 600 Pillen gekauft und »noch 595 übrig«. Außerdem sei es wenig sinnvoll, Kondome zu verteilen. »Unser Kondomautomat wird kaum genutzt«, sagte Janus dieser Zeitung.
Die Anregung, mehr Alternativen zu alkoholischen Getränken bereit zu halten, wurde in der Nachtarena bereits umgesetzt: Traubensaft und Wasser sind günstiger als Bier und Co. Auch einen Ruheraum für die bis zu 5000 Besucher am Wochenende gibt es: die Lounge im Elephant Club. Nichts hält Janus von der Idee, Ohrenstöpsel zu verteilen: »Mit Stöpseln hätten die Gäste nichts von der Musik.« Auch das Personal wolle sie nicht: »Ich habe zehn Paar gekauft, aber die Mitarbeiter sagten mir, sie störten bei der Bestellannahme.«

Artikel vom 12.12.2005