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Illegale bringen Gerichtspost

Schwarzarbeit aus Steuern finanziert

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Kommunen und Justizbehörden im Kreis Paderborn haben jahrelang aus Steuergeldern ein Unternehmen mitfinanziert, das Mitarbeiter illegal beschäftigte und das Finanzamt betrog, aber Briefe billiger beförderte als die Deutsche Post AG.

»Schwarzarbeiter haben Schwarzarbeitern praktisch ihre Strafbefehle zugestellt«, verdeutlicht Oberstaatsanwalt Peter Wedderwille die Auswirkungen staatlicher Sparzwänge.
Auf der Anklagebank der Paderborner Landgerichts saß gestern der Gründer und ehemalige Geschäftsführer der Egge-Post GmbH aus Bad Lippspringer. Dieter W. (64), ein gelernter Stahlbauer und früherer Gastwirt, hatte 1998 die Firma als Agentur für Prospektverteilung gegründet. Als das Postmonopol fiel, erhielt er von der Regulierungsbehörde Anfang 2000 als einer der ersten privaten Anbieter in Nordrhein-Westfalen eine Lizenz für die Briefzustellung.
Weil die Egge-Post bei Standardbriefen 13 Cent günstiger war als die große gelbe Konkurrenz, florierte das Geschäft. Steuerberater, Rechtsanwälte, Kliniken, Städte und Gemeinden, ja sogar die Justizbehörden gehörten zu den Kunden.
Bis vor zwei Jahren aufflog, warum das private Unternehmen seine Dienste zu Dumpingpreisen anbieten konnte - weil Dieter W. Asylbewerber ohne Arbeitserlaubnis beschäftigte und Steuern und Sozialabgaben hinterzog. In ihrer Anklage kam die Staatsanwaltschaft auf eine Schadenssumme von 220 000 Euro in drei Jahren. »In Wirklichkeit sind es mindestens 600 000 Euro«, ist ein Beamter der Steuerfahndung überzeugt.
Dieter W. wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Seine Schulden soll er in Monatsraten von 2500 Euro abstottern. Andernfalls werde man ihm Sozialstunden aufbrummen, drohte Richter Bernd Emminghaus.
Der geständige Angeklagte kam mit einer vergleichsweise milden Strafe davon, weil sich die Justiz auch an die eigene Nase fassen müsse, wie Oberstaatsanwalt Wedderwille betonte. Wenn man sich immer nur den billigen Jakob herauspicke und mithelfe, die Preise zu drücken, dürfe man sich über derartige Folgen nicht wundern.
»Was die Justiz an Porto gespart hat, steht in keinem Verhältnis zu den Kosten, die jetzt die Allgemeinheit tragen muss«, kritisiert Wedderwille. Auch die Regulierungsbehörde müsse sich fragen lassen, ob sie einem Unternehmer, dessen Qualifikation das Bierzapfen gewesen sei, bedenkenlos eine Lizenz zur Beförderung teilweise hochsensibler Post erteilen dürfe.
Die Paderborner Justiz verschickt täglich etwa 350 Briefe und hat durch das günstigere Porto jährlich gut 11 000 Euro gespart.

Artikel vom 07.12.2005