10.12.2005
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Der ortsansässige Handel sieht es mit Freuden: »Die kommen mit leeren Koffern, kleiden sich am ersten Tag komplett neu ein, kaufen sich eine Skiausrüstung und sorgen richtig für Umsatz.« Seinen Namen will der Kaufmann aber nicht nennen. »Das wird hier im Tal zwiespältig gesehen. Was den Handel freut, ärgert die Gastronomie zunehmend. Denn wo Russen am Abend die Mehrheit bilden, bleiben die übrigen Gäste weg.«
Die Russen bilden Diskussionsstoff im Zillertal, das den Wintertourismus als wichtigste Einnahmequelle kennt. Irina ist das nicht verborgen geblieben. »Die Leute sind nur vordergründig freundlich zu uns. Das Geld mögen sie, die Russen nicht.« Ihre Freundin Ludmilla gibt aber offen zu, dass ihre Landsleute häufig die Missverständnisse provozieren. Einige protzen mit ihrem Reichtum und meinen, sie könnten die Puppen tanzen lassen.
Bei der Wahl ihrer übrigen Urlaubsziele sind Russen nicht so ängstlich wie die Deutschen. So stehen Ägypten und die Türkei hoch im Kurs. Hauptsache billig -Êda verschmerzen es die Russen auch, wenn der türkische Tourismusminister Attila Koc seine mittlerweile zweitwichtigste Klientel, die dieses Jahr 700 Millionen Dollar ins Land am Bosporus trägt, als »neureiche, ungehobelte Bauern« beschimpft.
Zunehmend gibt es auch Animositäten zwischen Urlabern verschiedener Nationalitäten, besonders in Drei- und Viersterne-Hotels. Da wird der »Neckermann« auch zum »Meckermann«, wenn er auf zu viele Russen stößt -Êdenn die nehmen ihm das sorgsam drapierte Handtuch von der reservierten Liege. Besonders in Kemer und Hurghada geben die Gäste aus dem Osten mittlerweile den Ton an. Und da die russische Mittelschicht noch über wenig Reiseerfahrung verfügt, kommt es zu Irritationen. Wenn sie sich am Büffet haufenweise Lebensmittel auf ihre Teller türmen -Êgeschenkt. Aber wenn sie den Belag vom Kuchen kratzen oder mit dem Vorlegebesteck direkt vom Büffet mampfen, ist Schluss mit lustig. Die deftigen Kommentare deutscher Urlauber in Internetforen und Hotel-Beurteilungen sprechen Bände.
Woher rührt der Russen-Boom in der Türkei und Ägypten? Nach dem Terror des 11. September 2001 verramschten diese Länder ihre frei gebliebenen Bettenkapazitäten auf dem russischen Markt. Veranstalter wie die TUI machen längst auch über ihre Beteiligung an »Mostravel« gute Geschäfte in Russland. Und mittlerweile hat es sich auch bei den Angestellten herumgesprochen: Russen geben großzügig Trinkgeld, »kaufen« sich so Service und Anerkennung bei den Einheimischen. Die vielfach als geizig bekannten Deutschen schauen da in die Röhre...
Artikel vom 10.12.2005