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Nah an der Arminia-Wahrheit

Bielefelder Schwäche bei Standardsituationen wird wieder mal bestraft

Von Hans Peter Tipp (Text)
und Stefan Hörttrich (Foto)
Bielefeld (WB). Man kann ihn verstehen, man muss es sogar. Nach vier Spielen ohne Sieg nahm es Trainer Thomas von Heesen vom DSC Arminia Bielefeld am Samstag bei der Analyse ausnahmsweise nicht mehr ganz so genau.

»Das war bestimmt das zwölfte oder dreizehnte Gegentor nach einer Standardsituation«, erklärte der Trainer des ostwestfälischen Fußball-Bundesligisten nach dem 0:1 gegen den FC Schalke 04. »Gefühlt« mag ihm das vielleicht so vorgekommen sein, doch ganz so arg »trieb« es seine Hintermannschaft in dieser Saison doch nicht. Der Treffer des Schalkers Christian Poulsen war exakt der zehnte Gegentreffer, den die Ostwestfalen direkt oder im unmittelbaren Anschluss »aus dem Stand« hinnehmen mussten.
Standardsituationen, damit werden im Fußball jene Spielabläufe bezeichnet, bei denen der Gegner nicht direkt eingreifen kann -ÊEckbälle, Freistöße, Einwürfe oder auch Elfmeter. Kenner sprechen dann auch von ruhenden Bällen (die allerdings oft genug für Unruhe sorgen) oder -Êwie von Heesens Vorgänger Uwe Rapolder - von still stehenden Bällen (die prompt Bewegung bringen).
Trotz geschätzter Zahlen lag von Heesen mit seiner Analyse noch immer ganz nah an der Arminia-Wahrheit. Es fehlt seinen Spielern zwar wirklich nicht an allen Ecken und Enden, aber die Schwäche hat in der Tat schon Zähler gekostet. In der vergangenen Saison waren die Abstimmungsschwierigkeiten allerdings noch auffälliger. Rein rechnerisch ging den Bielefeldern wegen ihrer Standardschwäche erst zum zweiten Mal ein Zähler durch die Lappen, doch ob in Frankfurt (Copado per Freistoß zum 0:1 und Meier nach Ecke zum 0:3) oder in Dortmund (Smolarek nach Ecke zum 0:2) tatsächlich auch ohne diese Treffer nichts zu holen gewesen wäre, wird ewig spekulativ bleiben.
Poulsens Treffer hingegen raubte den Bielefeldern ein 0:0, das an diesem Tag allerdings nicht verdient gewesen wäre. Anders als im ersten Saisonheimspiel gegen den Hamburger SV: Da retteten sich die inzwischen zum Bayern-Jäger aufgestiegenen Hanseaten mit einem Elfmetertor von Sergej Barbarez und einem Freistoßtreffer Rafael van der Vaarts (Freistoß) zum 2:0-Sieg. Aus dem Spiel heraus gelang es ihnen nicht, die Bielefelder zu überwinden.
Hauptgrund, dass der DSC standardmäßig immer wieder schwach wird, ist sicherlich die fehlende Körpergröße der Bielefelder Profis. Wenn die Verteidiger, von denen Bernd Korzynietz mit 1.74 Meter auch nicht über Gardemaß verfügt, sowie Sibusiso Zuma »vergeben« sind, ist beim Gegner meistens noch immer mehr als ein kopfballstarker Spieler übrig. Und damit fangen für das Arminia-Trainerteam die Probleme an. Denn dann stehen nur noch Spieler zur Verfügung, die das Kopfballspiel nicht »erfunden« haben. Aber meistens ist es ja dennoch gut gegangen in dieser Saison - ein waches Auge, ein gutes Stellungsspiel sowie ein aufmerksamer und bislang auf höchstem Niveau spielender Torwart Mathias Hain verhinderten häufig Schlimmeres.
Umso ärgerlicher, wenn trotz aller Bemühungen am Ende doch der Ball aus dem Netz gefischt werden muss: Gleich vier Mal in dieser Saison mussten sich die Bielefelder bereits geschlagen geben, weil sie dem Gegner selber die Vorlage lieferten oder - wie es dann so schön heißt -Êden Ball nicht aus der Gefahrenzone heraus brachten: In Bremen profitierte Frank Baumann, in Dortmund Ebi Smolarek - und in Nürnberg stocherte Ivica Banovic den Ball aus dem Gewühl heraus über die Linie.
Stets hätten die Bielefelder mit etwas mehr Übersicht und Entschlossenheit mehrfach klären können. Wenn dann trotzdem der Gegner jubelt, tut dies besonders weh - ob es im Endeffekt nun einen Punkt, drei oder gar keinen kostet.

Artikel vom 06.12.2005