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»Wichtig ist, die Statusfrage wird schnell geklärt. Dann kann sich die wirtschaftliche Lage verbessern.«

Leitartikel
Zukunft des Kosovo

Nicht einmal
die EU
ist sich einig


Von Dirk Schröder
Die Lage sei »gut, ruhig, aber nicht stabil«. Mit diesen Worten hat gestern der Befehlshaber des deutschen KFOR-Kontingents, Oberst Gerd Kropf, Verteidigungsminister Franz Josef Jung zu dessen ersten Auslandsbesuch deutscher Soldaten im Feldlager Prizren im Kosovo empfangen.
Wie trügerisch diese vermeintliche Ruhe jedoch ist, haben die deutschen Soldaten in Prizren noch einen Tag vor dem Besuch ihres neuen »Chefs« erfahren müssen. Sie entschärften nicht explodierte Panzerfäuste, die Unbekannte zuvor auf einen Bus abgefeuert hatten, der in Richtung Belgrad unterwegs war.
Dieser Zwischenfall macht deutlich: Die Unruhen vom vergangenen Jahr können sich jederzeit wiederholen. Ohne die Anwesenheit der Bundeswehr und der anderen NATO-Truppen wären sie mit Sicherheit bereits wieder ausgebrochen.
Allen ist klar, Ruhe wird im Kosovo, das völkerrechtlich zu Serbien gehört, aber nicht gehören will, erst einkehren, wenn die Statusfrage gelöst ist. Zwar haben die Verhandlungen im November begonnen, doch der UN-Sonderbeauftragte Ahtisaari ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden.
Die albanischen Parteien wollen nichts anderes als die staatliche Unabhängigkeit akzeptieren, die Politiker in Belgrad nicht die Selbständigkeit für »das Herz Serbiens«, wie sie gern propagieren. Man kann ja als gute Nachricht verkaufen, dass sich beide Seiten überhaupt auf Statusgespräche eingelassen haben. Klar ist aber auch: Keine Seite ist bisher bereit, nur einen Deut von ihren Positionen abzuweichen.
Leichter macht es dem UN-Beauftragten die Aufgabe zudem nicht, dass auch innerhalb der EU Uneinigkeit über die Zukunft des Kosovo besteht. Zwar schließt die Kontaktgruppe für das Kosovo, zu der die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland gehören, eine Rückkehr zum Status der Provinz vor 1999 aus, auch eine Teilung kommt nicht in Frage. Dennoch sprechen sich andere EU-Staaten für eine Teilung auf ethnischer Grundlage aus.
Spanien wiederum wird wegen einer eventuellen Unabhängigkeit nervös - dies könnte einen Berufungsfall für das Baskenland darstellen. Und Italien und Griechenland befürchten für diesen Fall eine Verschlechterung der guten Beziehungen zu Serbien.
Angesichts der zwei Millionen Albaner und der noch 100 000 Serben, die im Kosovo leben, können die Verhandlungen eigentlich nur in die Richtung gehen, dass Serbien loslässt. Unabdingbar ist dabei natürlich, dass Fragen des Minderheitenschutzes sowie des religiösen und kulturellen Erbes vorher gelöst sind.
Wichtig ist, die Statusfrage wird schnell geklärt. Denn erst dann kann sich auch die wirtschaftliche Lage verbessern. 70 Prozent Arbeitslosigkeit sind keine gute Basis für sozialen Frieden.
Solange die Kosovo-Frage nicht gelöst ist, bleibt der Balkan ein Pulverfass, das morgen wieder explodieren kann.

Artikel vom 06.12.2005