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Sorge um die entführte
Susanne Osthoff wächst

Ultimatum abgelaufen - kein Kontakt zu Kidnappern

Berlin (dpa). In Deutschland wächst die Sorge um das Schicksal der im Irak entführten Susanne Osthoff. Gut eine Woche nach der Verschleppung der 43-jährigen Archäologin und ihres Fahrers gibt es noch keinen Kontakt zu den Kidnappern. Auch die Arbeit von Vermittlern im Irak blieb bis gestern ohne greifbares Ergebnis.

Ein erstes Ultimatum der Geiselnehmer lief am Freitag ab, ohne dass eine Verlängerung oder neue Forderungen bekannt wurden. In der Bundesregierung stellt man sich zunehmend auf einen längeren Zeitraum bis zu einer Lösung im Entführungsfall Osthoff ein. »Die körperliche Unversehrtheit der Entführten hat absoluten Vorrang«, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. »Bedauerlicherweise gelang es uns in der ersten Woche nicht, mittelbar oder unmittelbar Kontakt zu den Entführern aufzunehmen«, sagte Außenminister Frank Walter Steinmeier. »Ich gebe zu, wir wären gern weiter als wir sind.«
Ebenso wie die islamischen Dachverbände in Deutschland verurteilte die Arabische Liga in scharfer Form die Entführung. Sie sei »unbegreiflich und völlig ungerechtfertigt«, betonte Generalsekretär Amre Mussa in Kairo. Bundespräsident Horst Köhler erklärte in Berlin: »Die Gedanken sind in diesen Tagen bei Susanne Osthoff.« Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte: »Die Bundesregierung setzt alles daran, das Leben von Susanne Osthoff und auch das ihres Begleiters zu retten.«
Die Mutter von Osthoff, Ingrid Hala, sagte: »Ich muss die Hoffnung aufrechterhalten.« Sie wisse auch nichts Neues und fühle sich machtlos: »Ich bin psychisch und physisch fix und fertig. Ich kann keinen Gedanken mehr fassen.«
Nach Darstellung mehrerer Medien ist das Ultimatum seit Freitag früh verstrichen. Unter Berufung auf Sicherheitskreise hieß es, die Geiselnehmer hätten als Frist drei Tage nach Erstausstrahlung ihrer Video-Botschaft genannt. Zu ihren Forderungen gehörte nach den Berichten neben der Einstellung der deutschen Zusammenarbeit mit der Führung Iraks und dem deutschen Ausbildungsstopp für einheimische Sicherheitskräfte auch die Schließung der deutschen Botschaft in Bagdad.
Nach Angaben des Magazins »Der Spiegel« setzt die Bundesregierung auf kurdische Vermittler und den sunnitischen Geistlichen Abd al Muneim al Badari, um Verbindung zu den Entführern aufzunehmen. Dem Magazin »Focus« zufolge hat der Krisenstab auch Kurdenführer Massud Barsani eingeschaltet und zum geschiedenen Mann von Susanne Osthoff Kontakt aufgenommen, dessen Beduinen-Clan als einflussreich im Nordirak gilt.
Die Entführer nennen sich dem »Spiegel« zufolge »Saraja al Salasil«, was übersetzt »Sturmtruppen der Erdbeben« bedeutet. Nach Einschätzung deutscher Experten wird diese Gruppe den im Untergrund kämpfenden sunnitischen »Ischrin-Brigaden« zugeordnet, die als gewaltbreite arabische Nationalisten, aber nicht als internationale Terroristen des El Kaida-Netzwerks gelten. Die »Ischrin-Brigaden«, die sich nach der Aufstandsbewegung gegen die Briten 1920 benannt haben, kämpfen für das Ende der Besatzung und Abhängigkeit vom Ausland sowie die Errichtung eines freien Irak auf islamischer Grundlage.
Der seit zwei Jahren tätigen Gruppe werden bislang zwei Entführungsaktionen von Ausländern im Irak zugeschrieben, die jeweils mit der unversehrten Freilassung der Geiseln endeten. Im einen Fall wurden acht Angestellte einer chinesischen Firma verschleppt. Nachdem die Regierung in Peking zusagte, keine weiteren Staatsangehörige mehr in den Irak zu schicken, kamen die Männer frei.
An mehreren deutschen Orten wurde für die Freilassung von Susanne Osthoff demonstriert. Bei einer Mahnwache im oberbayerischen Glonn brachten die Teilnehmer Mitgefühl für die Entführte und ihren Fahrer zum Ausdruck. Die Archäologin und Hilfsaktivistin lebte vier Jahre in Glonn. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 05.12.2005