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Rosita Bialluch verschafft der Stadt Kurzfristkredite.Foto: Büscher

Die Geldbeschaffer aus dem 4. Stock

Wie die Stadtverwaltung Kredite aufnimmt - Für Banken ein sicherer Kunde

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Hinter den Türen eines unscheinbaren Büroflures im vierten Stock des Neuen Rathauses fallen Millionenentscheidungen. Dort sind drei Mitarbeiterinnen des Teams »Zahlungsverkehr/Buchhaltung« damit betraut, Geld für die Stadt zu beschaffen. Sie besorgen die Kassenkredite, »Überziehungskredite«, die sicher stellen, dass das Rathaus stets flüssig bleibt. Und das können schon mal 20 Millionen Euro an einem Tag sein.

»Wir verschaffen uns täglich einen Überblick darüber, wie viel Geld die Stadt einnimmt und welche Ausgaben anstehen«, erläutert Joachim Berens, Leiter des städtischen Amtes für Finanzen. In seinen Zuständigkeitsbereich gehört auch die Stadtkasse, in die wiederum das Team Zahlungsverkehr/Buchhaltung einbezogen ist.
Steht fest, wie viel Geld fehlt, setzen sich Team-Mitarbeiterin Rosita Bialluch und ihre Kolleginnen mit verschiedenen Banken in Verbindung, erkundigen sich nach den aktuellen Zinskonditionen. Bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt meist am Morgen müssen die Geldinstitute ein Gebot abgeben. Dasjenige Geldhaus, das am wenigsten Zinsen fürs Tagesgeld verlangt, bekommt den Zuschlag.
Dabei ist der Betrag, den die Stadt fürs Geld bezahlt, deutlich geringer als die Zinsen, die Otto Normalverbraucher in Kauf nehmen muss, wenn er sein Girokonto überzieht. Er liegt nur knapp über den Leitzinsen der Europäischen Zentralbank, also deutlich im unteren einstelligen Bereich. Dass die Stadt so wenig zahlen muss, liegt daran, dass sie nicht pleite gehen kann. »Gebietskörperschaften haben eine hohe Bonität«, formuliert es Joachim Berens.
Wenn der Rat den Haushalt beschließt, legt er jeweils fest, wie hoch die Kassenkredite, der städtische Dispo, innerhalb eines Jahres sein darf. 375 Millionen Euro sollen es im kommenden Jahr sein. »Da steckt immer auch eine Sicherheitsreserve drin«, sagt der Amtsleiter. Zwar weiß die Stadt, wann etwa die Grundbesitzer ihre Steuern zahlen - und kann mit den Einnahmen kalkulieren. Andere fließen nur schleppend. Berens: »Das Knöllchen zahlt nicht jeder pünktlich.« So können sich die Außenstände summieren. Andererseits erwarten die Verwaltungsmitarbeiter, dass sie in jedem Monat pünktlich ihr Geld auf dem Konto haben. Die Kurzfristkredite sorgen für ausreichend Bares.
Für die Teammitarbeiterinnen ist ihr Job Routine. Sie sind es gewohnt mit Millionen umzugehen. Für sie gilt das Vier-Augen-Prinzip. Nie darf eine allein entscheiden, von welcher Bank Geld geliehen wird. Und erst wenn Alfred Kästel, der Leiter der Stadtkasse, das Geschäft abgesegnet hat, gilt es auch.
Die Stadt leiht sich dort ihr Geld, wo auch die Bürger ihre Konten haben. Bei der Sparkasse, der Volksbank oder den großen Geschäftsbanken. Dort gibt es jeweils Ansprechpartner, die auf Kommunalkredite spezialisiert sind.
Im Moment ist das Rathaus mehr denn je auf die kurzfristigen Finanzspritzen angewiesen. Einnahmen und Ausgaben können übers Jahr schon seit 2001 nicht mehr ausgeglichen werden. Über Kassenkredite müssen die fehlenden Millionen beschafft werden.
Kein Problem für Rosita Bialluch und ihre Kolleginnen. Aber eines für die Stadt. Bis zum Jahr 2010 werden sich Schulden in Höhe von 380 Millionen Euro aufgetürmt haben.

Artikel vom 28.12.2005