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Stromausfall: Chance auf
Schadenersatz wächst

Auch Stadtwerken Bielefeld sind Mängel bekannt

Hamburg/Bielefeld (WB/hz/dpa). Nach den Stromausfällen und Mast-Zusammenbrüchen im Münsterland gerät der Energiekonzern RWE durch Berichte über Material-Schwächen unter Druck. Auch bei den Stadtwerken Bielefeld ist seit längerem die mangelnde Bruchfestigkeit von Freileitungsmasten aus Thomasstahl bekannt.

Diese in Europa für Hochspannungsmasten oft verwendete Stahlsorte kann leicht spröde werden. Wie RWE am Samstag bekannt gegeben hat, investiert der Energieversorger seit 2001 in ein 550 Millionen-Euro-Programm zur Instandhaltung der Masten. Vorrangig seien die 2900, die sich in der Nähe von Bebauungsgebieten oder an Kruezungen befinden. Von ihnen seien bis heute 70 Prozent saniert oder ausgetauscht. Insgesamt umfasst das RWE-Netz 42 000 Hoch- und Höchstspannungsmasten. Von ihnen wurden 28 000 aus Thomasstahl hergestellt. Sie will der Konzern erst bis 2015 sanieren oder austauschen.
Unabhängig von dem Sanierungsprogramm bleibt RWE dabei, dass die Schäden im Münsterland allein auf die extreme Wettersituation zurückzuführen seien. Trotzdem sagte der Vorsitzende des Berliner Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg: »Wenn das Unternehmen voraussehen konnte, dass die Masten den Anforderungen nicht gewachsen sind, dann steigen die Chancen für die Firmen und Verbraucher, ihre Schadenersatzforderungen durchzusetzen.« Bisher beriefen sich die Konzerne bei den Stromausfällen auf höhere Gewalt.
Wie Ingo Kröpke, Bereichsleiter Netze bei den Stadtwerken, gestern weiter erklärte, stünden im Bielefelder Süden/Bereich Steinhagen im Kreis Gütersloh 16 dieser Masten. Probleme habe es beim Schneechaos am vorvergangenen Wochenende allerdings nicht gegeben. Kröpke: »Alle Masten haben gehalten. Probleme wie im Hochspannungsnetz von RWE hatten und haben wir nicht.«
Die 16 Masten aus Thomasstahl, über die eine 110 000-Volt-Leitung führt, hätten schon längst gegen neue ersetzt werden sollen. Doch die geplante Millionen-Investition der Stadtwerke Bielefeld habe wegen mangelnder Planungssicherheit der neuen Trassenführung für die Autobahn 33 mehrfach verschoben werden müssen, sagte der Bereichsleiter Netze gestern dieser Zeitung. 14 der 16 betroffenen Masten stünden in unmittelbarer Nähe zur geplanten A 33. Werde die Trasse nur um vier oder fünf Meter verschwenkt, dann müssten die Stadtwerke neu errichtete Strommasten wieder abreißen. »Der Weiterbau der Autobahn hat Vorrang vor unserer Freileitung.«
Gleichzeitig versicherte der Stadtwerke-Bereichsleiter, dass beim Zusammenbruch aller oder einiger der 16 alten Masten aus Thomasstahl - Teil des Freileitungsringes rund um Bielefeld - die Großstadt nicht wie Teile des Münsterlandes im dunkeln liegen würde. Kröpke: »Bielefeld ist bei der Stromversorgung ungewöhnlich gut abgesichert. Die Stadtwerke sind branchenintern deswegen in der Vergangenheit schon mehrfach in die Kritik geraten, ob wir nicht überttrieben würden.«
Die Industrie- und Handelskammer Münster hatte die Schäden ihrer Firmen durch das Stromchaos Ende November auf mehr als 100 Millionen Euro geschätzt. Das Handwerk machte Schäden in Höhe von 25 Millionen Euro geltend. Auch die Landwirte im Münsterland gehen von erheblichen Schäden aus. Schnee und Wind hatten dort Leitungen und Masten zerstört. Betroffene Landwirte sollen Sonderkredite in Höhe von insgesamt zwei Millionen Euro erhalten, kündigte NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben an. Das Sonderkreditprogramm sei zwischen Landesregierung und NRW-Bank vereinbart worden.

Artikel vom 05.12.2005