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Von der Uni ins Auswärtige Amt

33 Jahre alt ist Matthias Vollert. Nach seinem Abitur hat er von 1994 bis 2000 an der Uni Bielefeld Geschichts-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften auf Magister studiert. Auch an den Unis von Manchester und Bordeaux schaute er einige Semester vorbei. Seit Juli 2003 ist er in der deutschen Botschaft in der mazedonischen Hauptstadt Skopje tätig -Êals Kultur- und Pressereferent. Wie kommt man in die Dienste des Auswärtigen Amtes? Laura-Lena Förster fragte nach - und Matthias Vollert antwortete.

Was tun Sie gegen das Heimweh?Matthias Vollert: Da ich in Mazedonien auf Posten bin, wird mein Heimweh nicht allzu groß. Man ist von Skopje aus relativ schnell in Deutschland, meine Frau und ich fliegen mindestens zwei Mal pro Jahr in die Heimat und besuchen Familie und Freunde. Zudem leben wir hier zumindest teilweise in der deutschen Gemeinschaft, schauen deutsches Fernsehen und bekommen auch deutsche Produkte. Wäre ich in Afrika oder Südasien auf Posten, würde sich die Frage sicherlich anders stellen.

Welchen Reiz hat die Arbeit in Mazedonien für Sie?Matthias Vollert: Mazedonien befindet sich in einem Transformationsprozess von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer marktwirtschaftlichen Demokratie und auf dem Weg in die NATO und die EU. Diese Prozesse machen das Land aus beruflicher Perspektive äußerst spannend, weil ich die damit einhergehenden massiven Umwälzungen und Veränderungen miterleben kann, die Perspektiven und Chancen eröffnen, aber auch Widerstände hervorrufen und Verlierer hinterlassen. Reizvoll ist auch, an einer mittelgroßen Vertretung tätig zu sein, an der ich mit der Zuständigkeit für Kultur, Presse und Protokoll ein breites Aufgabenspektrum verantworte und neben inhaltlicher auch personelle Verantwortung trage.

Was hat Bielefeld, was Skopje nicht hat?Matthias Vollert: Bielefeld setzt sich im Vergleich zu Skopje vor allem durch Sauberkeit und einen geordneten Verkehr ab. Bielefeld hat einen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr, saubere Straßen und Plätze, vor allem aber auch Fahrradwege und stets saubere Luft, die manchmal lediglich etwas süßlich sein kann. Dies alles fehlt in Skopje. Außerdem ist in Bielefeld das Musik- und Konzertprogramm reichhaltiger, internationaler und ansprechender.

Warum haben sie an der Uni Bielefeld studiert?Matthias Vollert: Nach dem Abitur habe ich mir genau überlegt, wo ich studieren möchte - und meine Wahl fiel eindeutig auf Bielefeld. Ich wollte Geschichte und in den Nebenfächern Recht und Wirtschaft studieren. Dies war zu der damaligen Zeit nur an wenigen Universitäten möglich. Ausschlaggebend waren dann der gute Ruf und die guten Rankingpositionen der Universität und besonders der Fakultät für Geschichtswissenschaft. Außerdem gab es attraktive zusätzliche Angebote wie das Programm »Studierende und Wirtschaft«.
Schließlich waren sowohl die Universität als auch die Stadt Bielefeld für meinen Geschmack weder zu klein noch zu groß und die Entfernung von meinem Heimatort Brake bei Oldenburg nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Ich habe meine Wahl nie bereut, sondern die Zeit sehr genossen.

Welchen Berufswunsch hatten sie als Student?Matthias Vollert: Eine Karriere in Organisationen oder Institutionen mit internationalem Hintergrund standen für mich immer im Vordergrund. Besonders habe ich mich immer für das Auswärtige Amt interessiert. Da mir aber bewusst war, dass ich nicht darauf zählen konnte, genommen zu werden, habe ich versucht, mir durch mehrere





Praktika weitere Perspektiven zu schaffen. Dabei war ein Praktikum bei der Bertelsmann Stiftung so spannend, dass ich dort bereits einige Monate später als Projektassistent anfing zu arbeiten. Die Projektarbeit hat sehr viel Spaß gemacht und ich wäre gern noch länger bei Bertelsmann geblieben. Aber das Auswärtige Amt reizte mich weiter. Angesichts der nahenden Altersgrenze für eine Bewerbung versuchte ich mein Glück - und hatte Erfolg.

Welche Dinge haben Sie in Ihrem Studium gelernt, die heute im Beruf gefragt sind?Matthias Vollert: Durch mein fachlich breit angelegtes Studium habe ich gelernt, mich schnell in verschiedene Sachgebiete einzuarbeiten. Da man als deutscher Diplomat im Prinzip sein Leben lang ein Generalist bleibt, ist dies von großem Vorteil. Weiter habe ich durch meine konkrete Fächerwahl eine Grundlage für das Verständnis von politischen Prozessen und Strukturen geschaffen. Im Studium und dann bei der Bertelsmann Stiftung habe ich auch gelernt, komplexe Sachverhalte zu analysieren und präzise und knapp auf den Punkt zu bringen.

Welche Schlüsselqualifikationen sind in Ihrem Beruf unverzichtbar und warum?Matthias Vollert: Unverzichtbar sind eine stete Neugier, Flexibilität, ein fundiertes breites Wissen, soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Menschen, anderen Kulturen und Gesellschaften und kommunikative Fähigkeiten, weil man sein Leben lang in der Welt umherwandert und auf neue Kulturen und Menschen stößt und teilweise auch mit Widrigkeiten und Abstrichen vom deutschen Lebensstandard zu leben hat, und man darüber hinaus auch sein Sachgebiet ständig wechselt, von der Kultur über die Wirtschaft bis zur Politik. Je nach Einsatzgebiet stehen weitere Schlüsselqualifikationen im Vordergrund: Als Protokoll- und Kulturreferent sollte man Organisationsvermögen besitzen, als politischer Referent gut analysieren können, als Pressereferent sollte man kommunikativ sein. Nach innen in der Botschaft oder im Referat in Berlin sind vor allem Teamfähigkeit und auch Führungskompetenzen gefragt.

Was schätzen Sie an der Arbeit im Auswärtigen Amt?Matthias Vollert: Das Auswärtige Amt bietet einen sicheren Rahmen für ein modernes Patchworkleben, in dem ich verschiedenste Gegenden der Welt kennen lernen darf, ständig vor neuen Herausforderungen stehen werde, so dass sich nie Routine einstellen wird, und in dem ich meinen breiten Interessen entsprechend immer wieder andere Aufgaben wahrnehmen werde. Schließlich schätze ich den Zusammenhalt unter den Kollegen und deren Motivation.

Wie überredet man seinen Lebenspartner, mit nach Mazedonien zu gehen?Matthias Vollert: Meine Frau und ich haben während meiner Zeit bei der Bertelsmann Stiftung gemeinsam entschieden, dass ich mich beim Auswärtigen Amt bewerbe. Sie musste ihren Beruf bei unserer Ausreise nach Mazedonien zunächst an den Nagel hängen. Wir hoffen aber, dass sie als Dolmetscherin und Übersetzerin auf anderen Posten leicht eine Arbeit finden wird. Es steht außer Frage, dass man seinem Lebenspartner mit der Entscheidung für das Auswärtige Amt viel zumutet.

Ihre Karriere hat schon an vielen Orten Station gemacht. Welcher soll der nächste sein?Matthias Vollert: Nach Skopje werde ich wahrscheinlich nach Berlin gehen. Ich bin bereits sehr gespannt auf die dynamische Hauptstadt. Nach drei Jahren wird es dann wieder in die Welt hinaus gehen, dieses Mal vielleicht ein bisschen weiter weg.

Artikel vom 06.12.2005