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»Stimmung ist auf dem Nullpunkt«

Im Gespräch: Udo Beckmann - Anmerkungen zur neuen »Sommerzeit«

Bielefeld (WB). Die Unzufriedenheit der Lehrer mit der Schulministerin steigt. Reinhard Brockmann fragte nach bei VBE-Chef Udo Beckmann. Udo Beckmann, Landesvorsitzender Verband Bildung und Erziehung
Welche Zwischennote gibt der Verband Bildung und Erziehung der Schulministerin? Beckmann: Ziffernoten allein sagen nicht viel aus. Wenn wir überhaupt ein Zeugnis vergeben, dann ein Berichtszeugnis, das immer auch die individuellen Voraussetzungen berücksichtigt. In diesem Fall muss man mit einbeziehen, dass Frau Sommer in der Landespolitik neu ist. Sie brachte weder Erfahrungen aus der Fraktions- noch aus der Landtagsarbeit mit. Zwangsläufig unterlaufen in der Einarbeitungszeit auch Fehler. Die sind auch Frau Sommer passiert. Entscheidend ist, dass man daraus lernt. Mangelhaft ist, dass es noch immer nicht gelungen ist, eine geschlossene Konzeption zu vermitteln. Die Verunsicherung in den Schulen ist groß, die Stimmung ist wieder auf dem Nullpunkt.

Frühere Schulminister mussten sich Praxisferne vorhalten lassen. Was fehlt der Praktikerin aus Ostwestfalen in Düsseldorf? Beckmann: Die Ministerin hat nicht die politische Ochsentour gemacht. Ihr fehlt daher die entsprechende politische Erfahrung, vielleicht auch der Einblick in die Spielregeln der Politik. Sie ist eben Seiteneinsteigerin, was ja der Ministerpräsident vorher wusste. In den Schulen gibt es inzwischen auch Seiteneinsteiger. Denen werden als Unterstützung erfahrene Kollegen zur Seite gestellt.

Bei der Ministerin hat man das anscheinend nicht getan! Beckmann: Da sie vor ihrer Amtszeit nicht in die politische Arbeit der CDU- oder FDP-Fraktion eingebunden war, hätte man ihr einen politischen Mentor zur Seite stellen müssen. Man hat ihr bis jetzt keine Möglichkeit gegeben, ihre Praxisnähe unter Beweis zu stellen. Zu beobachten ist, dass sie bei Dingen, die sie als Praktikerin anders sieht, zurückgepfiffen wird. Beispiel: Aufhebung der Schulbezirksgrenzen.

Ministerpräsident Rüttgers hat Frau Sommer ganz bewusst ausgewählt - eine kluge Entscheidung? Beckmann: Der Ministerpräsident wollte eine Praktikerin. Dafür gibt es sicherlich viele gute Gründe. Die Frage ist jetzt nicht, ob es klug war, sondern wie es weitergehen soll. Rüttgers muss sich entscheiden. Wenn er Frau Sommer im Amt halten will, weil sie Praktikerin ist, muss er das auch der Öffentlichkeit gegenüber deutlich machen und dafür sorgen, dass sie die angemessene Unterstützung erhält.

Und wenn er sie nicht halten will... Beckmann: ...dann muss er auch das deutlich machen und vor allem eine tragfähige Alternative zu bieten haben. Das Bildungsressort ist in Zeiten von PISA nicht gerade ein unwichtiges Ressort. Eine scheibchenweise Demontage der Ministerin zuzulassen, wäre nicht nur unwürdige Demontage der Person, sondern auch eine Beschädigung der Wertigkeit des Schulbereichs.

Die neue »Sommerzeit« bedeutet für Lehrer nicht unbedingt Sonnenschein. Sind Elternsprechtage nur am Nachmittag, am Samstag oder andere bislang nicht verlangte Mehrarbeit unzumutbar. Beckmann: Elternsprechtage sind keine Mehrarbeit. Sie gehören ganz selbstverständlich dazu. Aber: Einerseits sollen Eltern als »Kunden« der Schule verstanden werden. Dann muss man sich auch kundenorientiert nach den Arbeitszeiten der Eltern richten. Manche Eltern arbeiten ja beispielsweise im Schichtdienst. Außerdem: Lehrerfortbildungen finden zum großen Teil schon lange außerhalb der Unterrichtszeit statt, was aber nie gesagt wird. Ärgerlich ist auch, dass nie die 3,5 Millionen Stunden Vertretungsunterricht erwähnt werden, die Lehrer in NRW schon jetzt in einem Schuljahr geben.

Artikel vom 06.12.2005