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Aids - kein abstraktes
Risiko, sondern Gefahr

Jugendfilmtage zu Liebe und Sexualität im Cinemaxx

Bielefeld (sas). Jeder fünfte junge Mensch zwischen 16 und 18 Jahren glaubt, dass er sich nicht mit dem Aids-Virus infizieren kann, wenn sein Sexualpartner zwar Träger des Virus, aber noch nicht erkrankt ist. Ein fataler, womöglich tödlicher Irrtum. Wie auch die Idee, dass Aids zu behandeln und zu beherrschen sei. »Es gibt aber keine Heilung«, warnt Julia-Ellen Schmalz von der Aids-Hilfe Bielefeld. Das lässt nur einen Schluss zu: Aufklärung tut weiter not.

Aufklärung, wie sie in Bielefeld ein Netz von Beratungsstellen bietet. Gemeinsam haben diese anlässlich des Weltaidstages für den gestrigen Donnerstag und heutigen Freitag zum fünften Mal im Cinemaxx Jugendfilmtage organisiert. Insgesamt 1200 Schülern ab 14 Jahren - 800 aus Bielefeld, 400 aus Herford - wurden Filme, die sich mit der Thematik Liebe und Sexualität befassen, gezeigt. Und im Kinofoyer gab es jede Menge spielerisch verpackte Information.
»Über diese Themen zu reden, fällt Jugendlichen nach wie vor nicht leicht«, weiß Volker Czerner von der AWO-Aids-Prävention, und Inge Thömmes von »Pro Familia« ergänzt, dass die ersten sexuellen Kontakte deshalb zu oft ungeschützt stattfinden. »Uns liegt deshalb daran, dass Jugendliche begreifen, dass Sex, Partnerschaft und HIV nicht abstrakt sind, sondern jeden etwas angehen.« Gezielt haben die Veranstalter der Filmtage daher eine Altersgruppe angesprochen, für die die Vermeidung von Aids durchaus bald ein Thema sein kann.
Besorgniserregend sei auch, dass die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen zwei Jahren wieder gestiegen ist, zuletzt um 20 Prozent, sagt Wolfgang Mückner-Dellinger von der Aids-Beratung des Bielefelder Gesundheitsamtes. Das Motto »Safer Sex« scheint in Vergessenheit geraten zu sein. »Ein Indiz für den nachlassenden Kondomgebrauch ist zum Beispiel auch der Anstieg der Syphilis-Infektionen um das Vierfache«, sagt Matthias Lehre, Aids-Berater des Herforder Gesundheitsamtes.
Nach wie vor sind homosexuelle Männer am häufigsten von Aids betroffen. Von den 550 Neuerkrankungen in NRW in diesem Jahr entfallen zwei Drittel auf diese Gruppe. Den Mitarbeitern der Aids-Beratungen macht die »Bare-backing-Szene« unter den Homosexuellen Sorge: »Dort gibt es die Tendenz, sich damit zu brüsten, ungeschützten Sex zu haben und dies als ÝKickÜ zu empfinden«, sagt Lehre.
16 Prozent der neu HIV-Infizierten haben sich bei heterosexuellen Kontakten infiziert, 14 Prozent durch intravenösen Drogenmissbrauch. »Insgesamt nimmt die Zahl der HIV-Infizierten unter den Drogensüchtigen ab, seit es kein Problem mehr ist, saubere Spritzen zu bekommen«, sagt Tim Weinberger von der Fachstelle für Suchtvorbeugung.
Nach wie vor allerdings ist Aids ein riesiges Problem der Dritte-Welt-Länder - 95 Prozent der Infizierten und Erkrankten leben dort. »Migration und Reisen, vielfache Kontakte werden aber für die Verbreitung sorgen«, warnt Mückner-Dellinger. Aktuell sind weltweit 42 Millionen Menschen infiziert, in den kommenden zehn Jahren, so die Prognose, wird sich ihre Zahl verdoppeln.

Artikel vom 02.12.2005