02.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Alte Mischung wirkt noch frisch und modern

Der französische Regisseur Jean-Luc Godard wird morgen 75 Jahre alt - Rückzug vom Kino

Szene mit Anna Karina als Odile in dem Godard-Film »Die Aussenseiterbande«, der heute um 22 Uhr im WDR Fernsehen zu sehen ist.Foto: WDR
Kümmert sich nicht um Trends: Jean- Luc Godard.Foto: dpa

Von Sabine Glaubitz
Paris (dpa). Der französische Filmemacher Jean-Luc Godard dreht nur noch sporadisch Filme, und nur dann, wenn ihm danach zu Mute ist. Godard hat noch nie zu den Regisseuren gehört, die Konventionen oder Trends gefolgt sind. Und heute erstaunt der bedeutende Autorenfilmer, der morgen 75 Jahre alt wird, durch die Souveränität, mit der er sich langsam aus dem Kino zurückzieht.
Godards beste Filme wie »Außer Atem« (1960) entstanden in einer Zeit, in der das Kino noch eine radikalere Kunst war, wie er in seinem 2003 veröffentlichten Buch »Das Gesagte kommt vom Gesehenen« erklärte. Eine Kunst, die das filmische Experiment einforderte und die ständige Neudefinition von Filmstruktur und Filmstil. So drehte der in Paris geborene Sohn einer großbürgerlichen französisch-schweizerischen Familie in 40 Jahren mehr als 60 Filme, die oft collagenhafte Abbilder der Wirklichkeit sind. Nach einem schweren Autounfall zog sich Godard, der an der Pariser Sorbonne Ethnologie studierte, in den 70er Jahren in die Schweiz zurück.
Typisch für seine Filme ist das Durchbrechen der Filmrealität durch dokumentarische Aspekte und plötzliche Musik- und Schrifteinlagen. Mit seinem konsequenten Intellektualismus und seiner Kompromisslosigkeit stellt er das Publikum manchmal auf eine harte Probe. In »Elf Uhr nachts« unterbricht er die filmische Erzählung durch unvermittelte Musikeinlagen und in »Die Kinder von Marx und Coca Cola« überrascht er mit abrupten, nicht weiter erklärten Schießereien.
Bereits in seinem ersten und berühmtesten Spielfilm »Außer Atem« mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg erstaunt der Regisseur mit einem ungewöhnlich schnellen Erzählrhythmus. Auch heute noch wirkt die Mischung aus Liebesgeschichte und Thriller nach einem Drehbuch von François Truffaut vergleichsweise frisch und modern.
Auch die Wiedervereinigung Deutschlands machte er 1991 in seinem Film »Deutschland neu(n) null« zum Thema. Der sehenswerte Streifen ist nach Meinung einiger Kritiker der schönste und tiefste Filmbeitrag zu diesem Thema.
Für 2006 ist der Episodenfilm »Paris je t'aime« angekündigt mit Beiträgen von Woody Allen, Tom Tykwer, Sally Potter und Godard selbst. Seine jüngsten Filme »For ever Mozart« (1996) und »Eloge de l'amour« (Hymne auf die Liebe) von 2001 waren keine Kassenerfolge - wie so manch anderes Werk in seiner Karriere. Doch das kommerzielle Kino hat Godard noch nie interessiert. Für ihn sind Filme wie »Star Wars« oder »Matrix« »zu dumm und zu hässlich«.

Artikel vom 02.12.2005