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»Sanierungskurs alternativlos«

Steinbrück verteidigt Einsparungen - Glos will Mittelstand fördern

Berlin (dpa). Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat den Konsolidierungskurs der großen Koalition zur Sanierung der Staatsfinanzen als alternativlos verteidigt.
Peer Steinbrück fürchtet eine europäische Währungskrise, falls Deutschland 2007 gegen den Stabilitätspakt verstoßen wird.
Die geplanten Einsparungen, Konjunkturimpulse sowie die Mehrwertsteuererhöhung seien ein »ausgewogenes Maßnahmenpaket«, sagte Steinbrück gestern in seiner ersten Bundestags-Rede als Minister in Berlin.
Er räumte ein, dass die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent von 2007 an einen kontraproduktiven Effekt für die Wirtschaft habe. Es gebe jedoch keine Alternative, die erhofften Milliarden-Einnahmen auf andere Weise zu finanzieren, sagte Steinbrück.
Die Opposition warf Union und SPD vor, nur Einzelmaßnahmen anzugehen und kein klares, ökonomisches Konzept zu verfolgen. Die geplanten Strukturreformen sowie Ausgabenkürzungen seien unzureichend. Steinbrück sprach von erheblichen Haushaltsproblemen. Diese seien nicht allein über fiskalische Anstrengungen zu lösen. »Das halte ich für aussichtslos.« Nötig seien ein Gesamtkonzept und Anstrengungen aller Politikbereiche. »Ich bin überzeugt, dass die große Koalition die beste Voraussetzung dafür ist, einen solchen Zusammenhang herzustellen und die Probleme zu lösen.« Es gebe keine einfachen Antworten und raschen Lösungen.
Das Ziel, 2007 wieder den Euro-Stabilitätspakt einzuhalten, sei von erheblicher Bedeutung. Andernfalls drohe eine europäische Währungskrise, sagte Steinbrück.
Union und SPD streben bis 2007 ein Konsolidierungspaket von 35 Milliarden Euro an, die über den Abbau von Steuervergünstigungen, Privatisierungen, Ausgabenkürzungen, weniger Finanzhilfen des Bundes sowie über zuätzliche Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung erzielt werden sollen. Zugleich sollen Wachstumsimpulse finanziert werden. 2007 sollen dann der Euro-Stabilitätspakt sowie die Vorgaben des Grundgesetzes bei der Schuldenhöhe wieder eingehalten werden.
Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) nannte dies ein »ehrgeiziges Programm«, das nicht kleingeredet werden solle. CDU-Haushälter Steffen Kampeter (Minden) sprach von einem ehrlichen Anfang und klarer Strategie.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat Wirtschaftsverbände und Manager aufgerufen, den Standort Deutschland nicht schlecht zu reden. Sie sollten nicht so tun, »als ob man immer in Tarifverhandlungen wäre«, sagte Glos im Bundestag. Er versprach eine Politik für Wachstum und Beschäftigung. »Wir wollen, dass wieder mehr Menschen Arbeit bekommen«, sagte Glos.
Glos versprach eine besondere Förderung des Mittelstandes. »Wir starten eine breite Mittelstandsoffensive, die sich sehen lassen kann.« Als erste Schritte nannte er die Erbschaftsteuerreform, die verbesserte steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerarbeiten, ein breiteres Angebot von Beteiligungskapital für den Mittelstand und den Bürokratieabbau. Damit sollten Investitionen angeregt werden.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Brüderle, nannte die von der großen Koalition für 2007 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer »einen Angriff auf den deutschen Mittelstand.« Mit dem Bekenntnis zu mehr Wettbewerb sei es nicht weit her. Die angekündigte Lockerung des Kündigungsschutzes sei nur »Augenwischerei« und führe nicht zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

Artikel vom 02.12.2005