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Der Reim als »suggestive Form«

Robert Gernhardt ist seit mehr als 50 Jahren ein Wortkünstler


Bielefeld (bp). Er zitierte Heinrich Heine, Wilhelm Busch und Ernst Jandl und er brachte Eigenes zu Gehör - Robert Gernhardt (68) erfreute sein Publikum gestern Abend in der Stadtbibliothek. Er erinnerte auch daran, dass er selbst seit 50 Jahren »plus ein Jahr« Dichter sei. Ein Original von 1955 besitze er noch: Er habe als Abiturient das Gedicht »Im Winter« von Georg Trakel auswendig lernen sollen, stattdessen lieber selber ein Gedicht »im Trakel-Ton« verfasst und vorgetragen. Gernhardt: »Ich bin nicht aufgeflogen - weder meine Mitschüler noch die Lehrer haben etwas gemerkt.« Er habe aber noch früher gedichtet »so in der siebten Klasse«: Damals habe er eine Arbeit, in der Halloween erklärt werden sollte, in Reimform gefasst. Gernhardt erzählte, mitunter dichte er »aus dem Stegreif«, anderes wiederum brauche Zeit. Er hat stets eine Kladde dabei, in der er sich Wörter notiert, am liebsten solche, die nach einem Prinzip funktionieren. Zurzeit beschäftigt er sich mit Wörtern mit S-Erweiterung: Tier und Stier, Träne und Strähne, tanzen und stanzen. Der Maler, Zeichner, Karikaturist und Schriftsteller trennt inzwischen »Wortgedichte« und Bilder. Zuletzt habe er das »Randfigurenkabinett des Dr. Thomas Mann« gezeichnet. Der Reim selbst ist für ihn eine »suggestive Form«: »Er tut so sinnvoll.«
Im Januar tritt Gernhardt eine Professur in Düsseldorf an. Dort plant er »eine Führung durch das Haus der Poesie in fünf Etappen«.

Artikel vom 02.12.2005