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Starker Aufschlag mit viel Substanz

Merkels Regierungserklärung: OWL-Abgeordnete überwiegend zufrieden

Von Dirk Schröder
Berlin (WB). Die erste Regierungserklärung der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auch von den ostwestfälisch-lippischen Bundestagsabgeordneten weitgehend positiv, teils aber auch sehr kritisch, aufgenommen worden.
Eingerahmt vom früheren Außenminister Joschka Fischer (l.) und Ex-Umweltminister Jürgen Trittin verfolgt die Bielefelder Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann die Regierungserklärung im Bundestag. Foto: Reuters

Der Mindener CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter sprach gestern gegenüber dieser Zeitung von einem »starken sachlichen Aufschlag mit viel Substanz«. Kampeter lobte den besonderen Charme einer Ostdeutschen und Naturwissenschaftlerin, mit dem Merkel ihre Regierungserklärung abgegeben habe. Als haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion hob er hervor, dass die Kanzlerin die Absenkung der Staatsverschuldung als eine Aufgabe des Generationenvertrages ansieht.
»Keine lauten Töne, die Kraftprotzerei aus früheren Tagen hat ein Ende.« Diesen Eindruck hat Merkel mit ihrer Grundsatzrede bei der lippischen FDP-Abgeordneten Gudrun Kopp hinterlassen. Die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin sei einfühlsam und sympathisch menschlich geprägt gewesen. Inhaltlich sei aber einmal mehr klar geworden, dass dies eine große Koalition der ungenutzten Möglichkeiten bleiben werde. Für die sträfliche Zögerlichkeit nannte Kopp zwei Beispiele:
l Familienbetriebe müssten schnellstens - nicht erst 2008 - steuerlich mit Körperschaften gleich gestellt werden.
l Die Subventionspolitik im Energiebereich müsse umgehend beendet und die hohe Steuer- und Abgabenlast auf Strom und Gas gesenkt werden. Der Ausstieg aus der Kernenergie gehe zu Lasten von Arbeitsplätzen und bezahlbarer Energie und sei deshalb ein Kardinalfehler.
Britta Haßelmann, Grünen-Abgeordnete aus Bielefeld, kritisierte, dass Angela Merkel in ihrer Rede keine Aufbruchstimmung vermittelt habe. »Ich habe mir die Regierungserklärung sehr genau angehört, der Funke ist aber nicht übergesprungen. Das war nicht das erhoffte Signal.« Merkel habe zwar davon gesprochen, die große Koalition trete mit dem Anspruch an, ein Herz für Schwache und ein Herz für Leistung zu haben. Doch vermisste Hasselmann, dass sich dies in konkreten Ideen niedergeschlagen habe. Merkel habe zwar viel von der Freiheit gesprochen, wenig aber davon, wie sie mit dem Schutz der Bürgerrechte umgehen wolle. Einen Fehler nannte es die NRW-Vorsitzende der Grünen auch, dass Merkel die Umwelt und die Ökologie kaum thematisiert habe.
»Eine gelungene und sehr integrative Rede.« Der Bielefelder SPD-Abgeordnete Rainer Wend konnte sich gestern als Sozialdemokrat in der Grundsatzrede der Bundeskanzlerin wiederfinden. Angela Merkel habe die entscheidenden Sachthemen genannt: Impulse für Wachstum und Beschäftigung, Sanierung des Haushalts und die Reform der sozialen Sicherungssysteme.
Wend nannte es »honorig«, dass sie ausdrücklich ihren Vorgänger Gerhard Schröder für dessen Verdienste dankte. Merkel hatte in ihrer Rede erklärt, der SPD-Politiker habe mit seiner Agenda 2010 mutig und entschlossen eine Tür aufgestoßen und die Reformen auch gegen Widerstände durchgesetzt. Wends abschließendes Fazit: »Man hat gespürt, dass Angela Merkel eine Kanzlerin der Koalition sein will.«

Artikel vom 01.12.2005