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»Max« und »Moritz«
rauchten bis in die 50er

Rätselhaftes Gemälde Sagewkas zeigt die Stadtwerke


Bielefeld (WB). Das Rätsel ist gelöst, die Kunsthistoriker haben ein Problem weniger: Mit Hilfe der WESTFALEN-BLATT-Leser und eines versierten Historikers konnte innerhalb weniger Tage geklärt werden, welches Motiv der Bielefelder Maler Ernst Sagewka im Jahr 1919 malte.
Sie erinnern sich: In unserer Ausgabe vom 22. November hatten wir ein Ölgemälde vorgestellt, das am 5. Dezember in München versteigert werden soll und auf der Rückseite mit den Worten »Bielefeld« und »Industrie« leider etwas spärlich beschriftet ist. Was hatte der Künstler (1883-1959) hier gemalt? Von »Hochofen in Gelsenkirchen« bis »Ziegeleigelände in Heepen« reichten die Vermutungen, aber die Spur, die Gerd Wörmann legte, lohnte intensives Nachfragen wohl am ehesten.
Wörmanns Schwiegermutter Gerda Pape, die den Maler und zuvor dessen 1950 verstorbene Frau Luise im Alter gepflegt hatte, besitzt eine Liste von 170 Gemälden Sagewkas. »Darunter finden sich nur zwei Industriemotive«, berichtet Wörmann. »Ein ÝHafen von RotterdamÜ, der in den Städtischen Kliniken hängt, und die Bielefelder Stadtwerke.«
Das war der entscheidende Tip. Der Historiker und Stadtwerke-Archivar Joachim Wibbing machte die Recherche wasserdicht: »Bevor 1956 der 120-Meter-Schornstein errichtet wurde, standen auf dem Gelände die beiden 80-Meter-Schlote, die im Volksmund ÝMax und MoritzÜ genannt wurden. Beide zeigen am Fuße reliefartige Vorsprünge in Form langgezogener Rechtecke - die findet man auf dem Gemälde sofort wieder.« Direkt daneben, auf dem Ölbild rechts der Schornsteine, habe das 1912 errichtete Drehstromwerk gestanden. Die Funktion des kleinen Hauses ist unklar, erinnert aber stark an ein Wohnhaus - damals kamen bestimmte Techniker auf dem Betriebsgelände unter.
Vor »Max« und »Moritz« erkennt Wibbing einen der typischen bei der Gasherstellung anfallenden - qualmenden - Kokshaufen. Der Blick des Betrachters folgt dem des Künstlers in Richtung Bahndamm; links im Bild verschwindet die halbe Kohlenentladestation im Qualm. Auf die hatte auch schon Leser Wörmann getippt.
Wissenschaftler formulieren extrem vorsichtig, »aber ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher, dass wir hier ein Bild der Stadtwerke vor uns haben«, sagt Wibbing.
Auf bis zu 3500 Euro ist Sagewkas expressives Bild taxiert. Ob die Stadtwerke mitbieten, war nicht zu erfahren, aber schön wäre es doch, wenn das Kunstwerk an den Teuto zurückkehrte . . .

Artikel vom 01.12.2005