01.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Hilfe, hilfe, mich
hat es erwischt«

Bob-Bundestrainer Bethge verletzt

Cesana (dpa). Geschockt vom schweren Trainingsunfall ihres Cheftrainers Raimund Bethge gehen die deutschen Bobfahrer in die letzten zehn Wochen der Olympia-Vorbereitung.
Mit einem offenen Unterschenkelbruch, einer Sprunggelenkfraktur und einer Gehirnerschütterung wurde der 58 Jahre alte Sportlehrer ins San Giovanni Bosco Hospital nach Turin geflogen und dort operiert. Bethge hatte die Bahn offenbar wegen eines Kommunikationsproblems nicht rechtzeitig zum Trainingsstart verlassen und war von einem australischen Zweierbob umgefahren worden.
»Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Sein Zustand ist stabil und er ist ansprechbar. Ich hoffe, dass er in zwei Monaten wieder auf die Beine kommt und uns zumindest in Turin bei organisatorischen Fragen helfen kann«, sagte Frauen-Bundestrainer Wolfgang Hoppe. »Die Olympia-Stimmung ist erstmal dahin, die Atmosphäre sehr getrübt. Da kriegt man als Pilot einen Schock«, sagte der zurückgetretene Olympiasieger Christoph Langen (Unterhaching).
Der erfahrene Bethge, der seit 1990 mit seinen Aktiven 102 Medaillen bei Olympischen Spielen und internationalen Meisterschaften gewann, war zum Auftakt der internationalen Trainingswoche auf der Bahn für die Olympischen Winterspiele in Turin vom australischen Bob mit voller Wucht erfasst worden. Auf diesem Streckenabschnitt sind die 390 kg schweren Schlitten etwa 90 km/h schnell. Pilot Robyn Calleja musste sich anschließend in psychologische Betreuung begeben, berichtete der österreichische Trainer Manfred Maier. Dieser hatte in Kurve 5 neben dem deutschen Trainer Meinhard Nehmer gestanden, als aus dessen Funkgerät Bethges Hilferuf tönte: »Hilfe, hilfe, mich hat es erwischt!«
Fest steht, dass der in Schönau am Königssee lebende Bundestrainer bei Kurve 10 in der Eisrinne gestanden hatte, nach Aussagen der Offiziellen unerlaubt. Hoppe, der mit der Teamleitung beauftragt wurde, vermutet ein Kommunikationsproblem. »Die Bahnbeschallung reicht nicht in jede Ecke. Ich habe die Durchsagen auch nicht gehört. Ich gehe aber davon aus, dass es welche gab«, sagte der Bob-Olympiasieger. Nach Aussagen von Stefan Krauß, Generalsekretär des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland, gibt es »ungeklärte äußere Umstände«. Übereinstimmend wurde ihm berichtet, dass Bahndurchsagen nicht gehört wurden. Nach Angaben des Olympia-Organisationskomitees war allen Teams bekannt, dass ab 8.30 Uhr das Betreten der Bahn verboten war.
Raimund Bethge, der wegen der Folgen eines Busunfalls 1979 seine Karriere als Bobfahrer beenden musste, ist bereits der zweite BSD- Bundestrainer, der bei einem Trainingsunfall schwer verletzt wurde. Auf der Bahn in Winterberg war 1993 der damalige Rodel-Bundestrainer Sepp Lenz beim Schneefegen auf der Bahn von der amerikanischen Rodlerin Bethany Calcaterra erfasst worden. Lenz verlor damals einen Unterschenkel.

Artikel vom 01.12.2005