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Harter Kurs nach Fleischskandal

Seehofer sagt Handel mit »Gammelfleisch« den Kampf an - Zehn-Punkte-Plan

Berlin (dpa/Reuters). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Agrarminister Horst Seehofer (CSU) haben dem Handel mit »Gammelfleisch« den Kampf angesagt. Mit einem Zehn-Punkte-Plan soll schwarzen Schafen das Handwerk gelegt werden.

»Wir haben ein Motto und das heißt null Toleranz gegenüber denen, die das Vertrauen der Verbraucher mit Füßen treten«, sagte Merkel gestern in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Seehofer will konsequentere Strafen und schärfere Lebensmittelkontrollen umsetzen. Schärfere Sanktionen sollen geprüft werden. Die Bundeskompetenz solle gestärkt werden.
Der geltende Strafrahmen mit Bußgeld und Haft müsse konsequenter als bisher ausgeschöpft werden, sagte Seehofer nach einem Treffen von Experten aus Bund und Ländern. Die Justiz solle Schwerpunkt-Ermittlungsbehörden bilden. Die flächendeckende Kontrolle von Kühlhäusern durch die Länder sei bald abgeschlossen. Für mehr Kontrollen müsse über eine bessere finanzielle Ausstattung der Überwachung nachgedacht werden. Er forderte auch die Wirtschaft zu einer Ausweitung auf.
Auf europäischer Ebene will sich Seehofer für eine Verschärfung der Meldepflicht von verdorbenem Fleisch stark machen. Bund und Länder sollen sich besser gegenseitig informieren.
Die Verstöße seien durch nichts zu rechtfertigen, sagte Seehofer. »Solche Machenschaften riskieren eine Gesundheitsgefährdung.« Es gebe aber keine Anzeichen für ein mafiöses Netzwerk. Der Minister machte vier Firmen öffentlich, die involviert sein sollen. Er nannte die Deggendorfer Frost GmbH aus Bayern, Domenz Import-Export aus Nordrhein-Westfalen, HUG GmbH aus Baden-Württemberg und die HKB Convenience aus Niedersachsen.
Mit den Ländern soll über ein nationales Schnellwarnsystem und eine bessere Kennzeichnung von Schlachtabfällen zur Erschwerung der Umdeklarierung diskutiert werden. Eine leichtere Namensnennung von Firmen, die Verstöße begangen haben, werde geprüft. Mit der Namensnennung oder dem Entzug der Lizenz seien solche Geschäftemacher am empfindlichsten zu treffen. Dabei dürften aber Firmen nicht zu Unrecht in Verruf gebracht werden.
Seehofer will das Verbraucher-Informationsgesetz erneut auf den Weg bringen, das 2002 im Bundesrat gescheitert war. Dieses Gesetz könne schnell vorgelegt werden, erklärte die SPD-Bundestagsfraktion. Die Grünen im Bundestag machten sich ebenfalls dafür stark. Die FDP-Fraktion forderte harte Strafen.
Die Bundesländer begrüßten das Maßnahmenbündel. Baden-Württemberg erwägt zudem eine Bundesratsinitiative für besseren Verbraucherschutz. Auch Rheinland-Pfalz unterstützt ein neues Verbraucherinformationsgesetz.
Die Stadt Deggendorf in Niederbayern untersagte gestern einem Unternehmen eineinhalb Monate nach dem Bekanntwerden des dortigen Fleischskandals die Verarbeitung von Fleisch. In Dänemark wurden 19 Tonnen verdorbenen Specks sowie anderer Fleischprodukte aus Deutschland entdeckt und zurückgeschickt.
In Gelsenkirchen sind gestern weitere 23 Tonnen Fleisch und Wurstprodukte in einem Tiefkühllager sichergestellt worden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist abgelaufen. Ein Teil der Ware gehört dem Gelsenkirchener Bratwursthersteller Dirk Sternfeld, gegen den die Staatsanwaltschaft bereits ermittelt. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 01.12.2005