30.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Nur der Potter verkauft sich besser

Deutschsprachige Nachwuchsautoren stoßen auf großes Leserinteresse

Von Thomas Maier
Frankfurt/Main (dpa). Der Buchmarkt hat seine Sensation: Ausgerechnet die spröde klingende Geschichte vom Treffen zweier deutscher Wissenschaftler Ende des 18. Jahrhunderts steht seit Wochen weit oben auf den Bestseller-Listen.
Junge deutschsprachige Erfolgsautoren: Daniel Kehlmann (links) und Arno Geiger. Fotos: dpa

Der erst 31 Jahre alte Daniel Kehlmann steht mit seinem Roman »Die Vermessung der Welt«, in dem er die Begegnung des Naturforschers Alexander von Humboldt mit dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß schildert, nicht allein. Gleich dahinter kommt das Epos »Es geht uns gut« des nur wenige Jahre älteren Österreichers Arno Geiger.
Dass zwei junge deutschsprachige Autoren mit literarisch sehr anspruchsvollen Werken auf den Verkaufslisten gleich hinter dem neuen Harry Potter rangieren, ist aus Sicht der Verlage kein Zufall. »Diese beiden Bücher verstehen es, den Leser zu fesseln«, sagt Lektor Wolfgang Matz. Er ist beim Münchner Hanser Verlag, der Arno Geigers Roman in die 14. Auflage geschickt hat, für das deutschsprachige Programm zuständig.
Deutsche Literaten - so lautete jahrelang das gängige Urteil - schreiben eher verkopft und langweilig und können sich deshalb nicht mit den jungen amerikanischen Erzählern messen. Inzwischen sei die deutsche Leserschaft und auch der Buchhandel viel offener geworden, meint Matz. Auch bei den Autoren gebe es welche, »die einfach sagen, ich möchte durchaus auch ein größeres Publikum erreichen«. Geiger, der sein erstes Buch noch sehr kompliziert anlegte, schaffte den Durchbruch erst beim vierten, das eine Familiensaga erzählt.
Zu den Entdeckungen zählt auch die 31-jährige Juli Zeh, die mit »Adler und Engel« (2001) ihren Durchbruch schaffte. Geholfen hat der Deutsche Buchpreis für die beste literarische Neuerscheinung im deutschsprachigen Raum, der im Oktober zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse erstmals verliehen wurde. Dabei hob die Jury Arno Geigers Buch auf den Schild. Der Preis blieb nicht ohne Wirkung im Ausland. Hanser verkaufte Geigers Buch in den Nachbarländern an große Verlage. Das Interesse an deutschen Autoren ist da: Judith Hermanns Debüt »Sommerhaus, später« wurde in 17 Sprachen übersetzt, die Lizenz für Juli Zehs »Adler und Engel« ging in 28 Länder.

Artikel vom 30.11.2005