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Wenn sich der Körper
selbständig macht

Parkinson: Immer mehr Jugendliche betroffen


Bielefeld (sas). Zu den kränkendsten Erlebnissen von Hans-Georg Wriedt gehörte sicher die Erfahrung, für betrunken und verantwortungslos gehalten zu werden - obgleich es schlicht seine Krankheit war, die seinen torkelnden Gang verursachte. Daraus hat er gelernt, sich nicht zu verstecken: Wriedt, der vor wenigen Wochen 75 Jahre alt wurde, geht offensiv damit um, dass er an Parkinson leidet.
Vor 25 Jahren wurde die Krankheit bei ihm diagnostiziert, und auf die Frage, was ihn erwarte, erfuhr er, dass er womöglich binnen weniger Jahre auf den Rollstuhl angewiesen sei. Das ist er nicht - bis heute nicht. Gleichwohl ist die Erkrankung fortgeschritten.
»Die Erscheinungsbilder sind ganz unterschiedlich. Die einen leiden am Zittern, andere - wie ich - an unkontrollierten Bewegungen, wieder andere am Rigor, an extrem verzögerten Bewegungen, oder an einer Muskelschwäche, die zum Beispiel auch die Stimmbänder betreffen kann«, erklärt Hans-Georg Wriedt.
Mit seinem Schicksal wollte er sich nie abfinden: Seit gut zehn Jahren leitet er die Parkinson-Regionalgruppe Bielefeld mit ihren 140 Mitgliedern, zudem gehörte er lange der Gruppe Forschung und Entwicklung der Bundesvereinigung Parkinson an, stritt für mehr Forschung und organisierte und organisiert Informationsveranstaltungen.
»Parkinson ist bekannter geworden, es gibt weniger Missverständnisse«, sagt Georg Wriedt. Leider, hat er festgestellt, gebe es auch mehr Fälle und seien auch zunehmend jüngere Menschen betroffen - mit vielfach gravierenden sozialen Folgen. Die Ursache der Krankheit ist nach wie vor unklar. Sicher ist, dass die Substantia nigra untergeht, ein Hirnareal, in dem der Botenstoff Dopamin produziert wird. Eine Diagnose erfolgt meistens erst, wenn schon viel Substanz verloren ist, eine Heilung ist nicht möglich. »Lediglich der Krankheitsverlauf kann gebremst werden.«
Wichtig ist Hans-Georg Wriedt, dass die Betroffenen aktiv bleiben, sich nicht verstecken. An jedem ersten Donnerstag gibt es daher ein Treffen der Gruppe, an jedem zweiten Donnerstag wird getanzt. »Und montags treffen wir uns vormittags zum Schwimmen und mittwochs am Nachmittag zum Sport.« Denn Aufgeben - diese Vokabel existiert nicht im Wortschatz von Hans-Georg Wriedt. Schließlich sind da neben der Ehefrau noch drei Kinder, sieben Enkel und drei Urenkel.

Artikel vom 03.12.2005