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Kalte Pracht schmückt
das Weihnachtsfest

Glas war als Geschenk den Königen vorbehalten

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Petershagen (WB). Glas stärkt die Festlichkeit. Deshalb gehören schöne Gläser und Vasen zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken. Seit 4000 Jahren hält die Faszination an.
Der Glasbläser Rudolf Leipold fertigt in Neuhaus (Thüringen) kunstvolle gläserne Öllampen. Foto: dpa

»Glas war immer schon ein Geschenk«, weiß Michael Funk, der das Industriemuseum Glashütte Gernheim in Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) leitet. »Glas gibt es in vielen Formen und Farben, es glänzt, ist dekorativ, man kann daraus trinken oder etwas hinein füllen«, beschreibt Funk den Reiz des vielseitig verwendbaren durchscheinenden Materials. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Massenfertigung begann, galt Glas als Kostbarkeit, als ein den Herrschern zustehendes Geschenk. Könige und Fürsten erhielten Phiolen mit wohlriechenden Ölen.
In der Neuzeit genossen Gläser aus Venedig höchstes Ansehen. Den Mitarbeitern der Werkstätten auf der Glasinsel Morano drohte die Todesstrafe, wenn sie Einzelheiten aus dem Herstellungsprozess verrieten. Weil es sich bei Glas um eine Rarität handelte, musste dessen Transport umso sorgfältiger vorbereitet werden. »Im 17. und 18. Jahrhundert haben die Menschen Glas in flüssige Butter eingeschmolzen, um es vor Schaden zu bewahren«, erzählt Michael Funk. Gläser seien selten benutzt und als »kalte Pracht« in Vitrinen ausgestellt worden.
Heute gibt es in Deutschland 40 Glashütten. Etwa 300 Künstler verschmelzen und bemalen Glas. In nur noch sechs Glashütten wird nach dem Mundblasverfahren gearbeitet. Die handgemachten und mundgeblasenen Stücke ragen aus der Masse der Industrieprodukte heraus, die Glas zum Allerweltsartikel machten. Trotzdem ist die Faszination ungebrochen. »Glas ist ein Trendthema, es kommt immer mehr«, hat Eva Barth-Gilhaus vom Bundesverband für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur in Bonn beobachtet. Glas erobere innen und außen den Wohnraum und spiele in der modernen Architektur eine zunehmend größere Rolle.
30 Prozent des Umsatzes mache der Einzelhandel in den Monaten November und Dezember. Alle Gefäße aus Glas, die sich mit Kerzen und Teelichtern kombinieren lassen, seien bei den Kunden beliebt. Die Hersteller reagierten darauf mit immer kürzeren Produktionszyklen, sagte Barth-Gilhaus: »Kollektionen werden nach nur einem Jahr ausgetauscht, die Industrie spielt mit Mode, Farbe und Lichttechnik.« Glas schmücke den Weihnachtstisch.
Es schmückt aber auch den Hals der Frauen. »Ketten aus Glasperlen sind im Kommen«, weiß Michael Funk vom Westfälischen Industriemuseum Glashütte Gernheim, das dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist. Nicht nur das Museum, auch der Laden mit Nützlichem und Schönem aus Glas lohnt den Besuch und liefert Geschenkideen für Weihnachten.

Artikel vom 29.11.2005