29.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Abdoulaye Wade

»Wir brauchen unsere jungen Leute für die Entwicklungs Afrikas.«

Leitartikel
Illegale Einwanderung

Die Lösung des Problems liegt in Afrika


Von Friedhelm Peiter
Überschattet vom Streit über einen Text zur Terror-Bekämpfung ist der zehnte Gipfel der 25 Staaten der Europäischen Union (EU) und der Mittelmeer-Anrainerstaaten gestern in Barcelona zu Ende gegangen. Neben der Bekundung des festen Willens, gemeinsam gegen den Terrorismus vorzugehen, stand die Frage im Mittelpunkt, wie Europa vor illegaler Einwanderung zu schützen ist.
Vor wenigen Wochen machten die Nachrichten über den Ansturm afrikanischer Flüchtlinge auf die spanischen Enklaven in Marokko Schlagzeilen. Fast wöchentlich erreichen Flüchtlinge in abgewrackten Booten die italienische oder die spanische Küste. Wie viele der Menschen, die oft das gesamte Geld ihrer Familie Schleusern für die gefährliche Fahrt ins gelobte Europa bezahlen, im Mittelmeer ertrinken, kann man nur erahnen. Nach EU-Schätzungen erreichen jährlich 500 000 illegale Einwanderer Europa, um dort Arbeit zu suchen.
Die Einsicht, dass es ein gemeinsames Flüchtlingsproblem von EU-Staaten und nordafrikanischen Staaten gibt, die oft nur »Transitstationen« für den Ansturm schwarzafrikanischer Flüchtlinge nach Europa sind, hat sich durchgesetzt. Doch reichen die gestern gefassten Beschlüsse nicht weit genug. Schleusern das Handwerk zu legen, ist dringend notwendig. Mit der weichen Formulierung, legale Möglichkeiten zur Einwanderung zu fördern, ist dem Flüchtlingsproblem nicht beizukommen.
Auch andere Vorschläge zur Lösung des Problems sind bereits diskutiert worden. So sollten Auffanglager in Nordafrika eingerichtet werden, in denen Einreiseanträge gestellt werden können. Auch eine EU-Marinepolizei im Mittelmeer ist im Gespräch.
Das Flüchtlingsproblem ist jedoch nicht allein in Nordafrika zu lösen. Diese Mittelmeer-Anrainer müssen Probleme bewältigen, die ihren Ursprung zum größten Teil in Schwarzafrika haben. Die meisten Flüchtlinge, die mit Arbeit in Europa ihre Familien versorgen wollen, kommen aus armen Staaten wie Mali, Niger oder dem Senegal. Den ärmsten Staaten der Erde, darunter viele in Afrika, wurden die Schulden erlassen, um ihnen Luft zur Entwicklung zu geben.
Gutgemeinte Entwicklungshilfegelder verschwinden jedoch noch immer in den Taschen korrupter Machthaber in Afrika. Die EU muss ihr Augenmerk in der Afrikapolitik mehr als bisher auf diese Problemländer lenken, wenn sie das Flüchtlingsproblem lindern will.
Aus afrikanischer Sicht hat der demokratisch gewählte Präsident Senegals, Abdoulaye Wade, das Problem auf den Punkt gebracht.
Er erklärte: Man muss in Afrika in Infrastrukturprojekte investieren. Die Europäer sollten ihre Entwicklungshilfe behalten. Sie sollten mit ihren Unternehmen, die auch verdienen sollen, Straßen, Brücken und Schulen bauen, aber dabei 30 Prozent Einheimische beschäftigen: »Dann sind wir hier alle glücklich.« Die Lösung des Migrationsproblems liege nicht in Europa, sondern in Afrika.

Artikel vom 29.11.2005