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Attrappen haben ihren Preis

Bußgeld gegen Händler - »Unverkäufliche Kopien« nicht ausgezeichnet

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Seine Kunden schütteln nur ungläubig den Kopf, wenn sie die Geschichte hören. Klaus-Peter Kähler (55) selbst kann gar nicht drüber lachen. Dem Fernsehhändler flatterte jetzt eine Bußgeldforderung des Ordnungsamtes samt Haftandrohung ins Haus: 200,60 Euro wegen fehlender Preisauszeichnung an Attrappen im Schaufenster. Bei Nichtzahlen Ersatzhaft!

Vorwurf der Bielefelder Behörde: Kähler soll im Schaufenster gezeigte Ware nicht ordnungsgemäß mit Preisen ausgezeichnet haben. Aber: Die Ware im Fenster ist in Wirklichkeit einfaches Dekomaterial und auch gar nicht zum Verkauf bestimmt. Bei den 100 verschiedenen, in drei Regalen liebevoll aufgestellten Handys handelt es sich um »Billig-Attrappen« - aus gutem Grund. Der Einzelhändler schützt sich damit nicht nur vor Diebstahl, sondern die teuren Originalgeräte auch vor den Sonnenstrahlen im Südschaufenster. Vor dem Regal mit den Attrappen hat Kähler ein Schild aufgestellt: Dummys - unverkäuflich.
Jetzt soll er aber zahlen - 200,60 Euro Bußgeld und Gebühren. Nach Ansicht des Ordnungsamtes hätte er jede Attrappe einzeln auszeichnen müssen. »Weltfremd und völlig überzogen«, sagt Stefan Genth. Der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes OWL gewann eben einen ähnlich gelagerten Prozess gegen die kleinliche Bielefelder Behörde: Der dienstbeflissene Außendienst des Ordnungsamtes hatte von dem Küchenstudio verlangt, eine Ausstellungküche bis ins kleinste Detail mit Einzelpreisen zu versehen. In diesem Fall war der Einzelhandelsverband erfolgreich. Genth: »Das ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen.«
Klaus-Peter Kähler sieht sich dagegen der Ordnungsmacht hilflos gegenüber. Seit 23 Jahren ist der TV-Fachmann selbstständig. Als kleiner Nahversorger am Rande der Innenstadt ist der Geschäftsmann nicht erfolgsverwöhnt, sondern steht im knallharten Wettbewerb auf der Schattenseite. Um so verärgerter ist der Bielefelder, dass er seit Monaten eine Fehde mit den Ordnungskräften führen muss. Erst wartet die Behörde, bis kurzzeitig einer von vier Fernsehern im Fenster ohne Preis ist, um zuzuschlagen. Kähler: »Ich hatte umdekoriert, dazu muss ich die Preise von den Geräten entfernen.«
Das Thema Handy und die vergeblichen Versuche des Geschäftsmannes, den Vorgesetzten in der Behörde an der Raspi den »Unsinn« plausibel zu machen, warum man wertlose Attrappen von Handys, die es nur im Laden gibt, mit dem Preis der entsprechenden Originalgeräte versehen soll, macht Kähler traurig: »Es gibt in dieser Stadt weiß Gott wichtigere Dinge zu tun, als kleine Einzelhändler am unteren Ende der Skala so unter Druck zu setzen.«

Artikel vom 30.11.2005