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Konkurrenzlos gute Leistungen

Arminen Fink und Westermann haben sich ohne Druck bestens entfaltet

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Über eine Frage kann Thomas von Heesen immer wieder nur schmunzeln. »Was machen Sie, wenn alle Spieler wieder fit sind?« »Erstens«, antwortet Arminia Bielefelds Trainer dann stets, »stellt sich für mich diese Frage nicht. Zweitens gäbe es für einen Trainer doch nichts Schöneres.«

Denn in diesem Punkt unterscheidet sich Thomas von Heesen von keinem Coach der Welt: »Konkurrenz belebt das Geschäft« zählt auch zu seinen Leitsätzen.
Dabei kann bei Arminia Bielefeld durchaus der Eindruck entstehen, dass viele Spieler auch ganz gut ohne Konkurrenzdruck leben und vor allem spielen können. Mangels Alternativen stellt sich die Mannschaft Woche für Woche fast von selbst auf. Aber nicht etwa, weil es der zweiten Reihe an Qualität fehlt, sondern weil schlicht kaum noch eine zweite Reihe da ist, aus der sich jemand aufdrängen könnte.
Wozu das im schlimmsten Fall führen kann, zeigt das Beispiel Borges. Nachdem der Brasilianer beim Spiel in Wolfsburg zum fünften mal Gelb gesehen hat und ein Spiel aussetzen muss, ist Trainer Thomas von Heesen beinahe gezwungen, gegen Schalke einen A-Jugend-Abwehrspieler in der Bundesliga debütieren zu lassen.
Es lohnt sich aber auch zu prüfen, wozu das im besten Fall führen kann. Zum Beispiel dazu, dass sich ein blutjunger Spieler wie Heiko Westermann (22) so prächtig entwickelt, dass er nach 14 Bundesligapartien auftritt, als wären es mindestens 40 gewesen. Vom Konkurrenzdruck befreit legt der ehemalige Fürther Woche für Woche Top-Leistungen hin und hat die nicht unerhebliche Lücke, die die langwierige Knieverletzung Petr Gabriels in die DSC-Deckung gerissen hat, ausgezeichnet gestopft. Sogar so gut, dass für den Fall, dass eines Tages Westermann, Borges und Gabriel zugleich einsatzbereit sind, von Heesen vor der Qual der Wahl steht. »Welche Qual?«, wird der Trainer dann zurückfragen.
Gleiches gilt für die Position im defensiven Mittelfeld. Hier ist Michael Fink (23) die Vertretung des langzeitverletzten Rüdiger Kauf mit Sicherheit auch deshalb so gut gelungen, weil ihm der Trainer sein uneingeschränktes Vertrauen schenkte. Was wiederum vor allem daran lag, dass von Heesen (fast) keine andere Wahl blieb, als auf Fink zu setzen.
Westermann und Fink - zwei Beispiele, die zeigen, dass fehlender Konkurrenzdruck auch entwicklungsfördernd wirken kann.
Trotzdem ist es nur verständlich, dass sich Thomas von Heesen zu Weihnachten vermutlich kaum etwas sehnlicher wünscht, als das rasche Ende der Verletzungspechsträhne. »Schauen wir mal, wer uns fürs Spiel gegen Schalke im Kader noch übrig bleibt«, sagte er schon kurz nach der Partie in Wolfsburg und prophezeite: »Uns fällt sicher immer noch was ein.«
So gut das Ersetzen der Verletzten bei Arminia bisher auch funktioniert hat, so sehr wünscht man sich, dass der erneut am Oberschenkel verletzte Marco Küntzel recht behält, wenn er mutig verkündet: »Ich bin sicher, wenn alle wieder fit sind, spielen wir eine bessere Rückrunde als vergangene Saison.«

Artikel vom 29.11.2005