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Physikerinnen sind vielseitig

Von Laura-Lena Förster
Sie beraten Unternehmen. Sie analysieren Börsenkurse. Sogar vor der Politik machen Physiker keinen Halt. Gerade diese Vielfalt an Berufsmöglichkeiten lässt die Physik nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen interessant erscheinen. Das Bild des einsam im Labor werkelnden Physikers muss daher mindestens um eine wuselige Physikerin ergänzt werden.

Diesem Vorurteil entgegen stellen sich Workshops, in denen von der aktuellen Forschung sowie dem vielfältigen Berufsfeld der Physikerinnen und Physiker berichtet wird. An der Uni Bielefeld hat ein solcher gerade stattgefunden. Die Organisatorinnen Ursula Lorentzen, Wibke Hellmich, Anna Schüller und Sarah Dierk sind alle der Physik verbunden. Als Sekretärin, mit Diplom in der Tasche oder im Visier. Sie sind begeistert von dem Feld, in dem sie arbeiten beziehungsweise studieren. Da es vielfältig ist und erklärt, wie alltägliche Dinge funktionieren. Zum Beispiel: Warum ist der Himmel blau? Und wie entsteht ein Regenbogen? Sarah Dierk (25), die 2006 mit ihrer Abschlussarbeit beginnt, musste sich mit zunehmendem Erkenntnisgewinn von manch einer romantischen Vorstellung lösen.
Ein weiterer Antrieb: die Neugier. »Ich habe schon immer gerne Fragen gestellt«, sagt auch Ursula Lorentzen, die das Sekretariat von Prof. Dr. Armin Gölzhäuser leitet. »Es ist faszinierend, in welch kleinen Dimensionen gearbeitet wird.« Mit Geräten wie dem Rasterkraftmikroskop lassen sich Dinge abbilden, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind. Eine DNA etwa.
Doch auch fernab des klassischen Tätigkeitsfeldes gibt es Chancen - gute und interessante. »Zum Beispiel Banken und Unternehmensberatungen schreiben Stellen aus, die sich an Physiker richten«, weiß Wibke Hellmich, Doktorandin in der Abteilung Experimentelle Biophysik und Angewandte Nanowissenschaften. Das Studium vermittelt nämlich fachliches und methodisches Wissen. Sprich: analytisches und strukturiertes Denken. »Natürlich ist die Lösung eines Problems wichtig. Aber auch, wie ich mich ihm überhaupt annähere«, sagt Anna Schüller (22).
Ein Beispiel aus der Praxis wäre eine Ampelanlage, vor der sich alles staut. Physiker vereinfachten dies in einem Kugelmodell, gingen also weg von dem eigentlichen Problem, um die neuen Erkenntnisse schließlich wieder zu übertragen.
Selbstständig zu arbeiten, lernen die angehenden Physiker schnell. In Experimenten, die bei ihnen Praktika heißen. Dass das nicht immer leicht ist, wissen Sarah und Anna nur zu gut. »Jeder denkt irgendwann, ich schaffe es nicht«, erzählt Anna Schüller, die es im nächsten Jahr wohl geschafft haben wird. »Der Aufwand ist einfach größer als in anderen Fächern.«
Dabei sind gute Mathe-Kenntnisse nicht zwingend notwendig. »Was in der Schule und später in der Uni gelernt und gelehrt wird, kann man nicht vergleichen«, sagt Wibke Hellmich (28). »Natürlich wird man um eine Ableitung nicht herum kommen. Doch selbst wenn das Schwierigkeiten bereitet: Zu Beginn des Studiums werden alle Grundlagen der Physik wiederholt, vertieft und erweitert.« Entscheidend ist für sie Interesse. Oder wie bei Anna die leuchtenden Augen, mit denen sie zum ersten Mal die Geräte im Labor betrachtete: »Ich finde es schon toll, später einmal zu sagen: Die kann ich bedienen.«
In ihrem Umfeld stieß der Entschluss, Physik zu studieren, nicht auf große Zustimmung. »Mach doch was Vernünftiges«, hörte sie von vielen Seiten. Dr. Alexandra Ros sieht in Aussagen wie diesen das Kernproblem, warum zahlreiche junge Frauen sich gegen ein Physikstudium entscheiden. »Die Vorbildfunktion fehlt«, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin und Referentin des Workshops. »Es gibt nur wenige Physiklehrerinnen, und die Eltern sind meist auch nicht sehr interessiert.«

Artikel vom 06.12.2005