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Bologna bewegt Bielefeld

Welchen Abschluss man mit welchem Fach bekommt, war (gerade für Eltern) schon immer etwas schwer zu verstehen. Magister, Staatsexamen und Diplom standen zur Wahl. Je nachdem, ob man Lehrer werden oder gleich mehrere Fächer studieren wollte.

Seit dem 19. Juni 1999 ist das Ganze noch komplizierter geworden. Bologna bewegt Bielefeld. Und das heißt: willkommen Bachelor und Master. Damals, vor sechseinhalb Jahren, gaben die europäischen Bildungsminister in Bologna eine Erklärung ab, wonach sie den Hochschulraum einheitlich gestalten wollten. Ziel war, ein System mit leicht verständlichen und vergleichbaren Abschlüssen einzuführen sowie die Mobilität der Studenten zu fördern. Sprich: Leistungspunkte, die in der Heimat erbracht wurden, sollten auch im Ausland anerkannt werden.
Darüber hinaus war die Idee, das Studium in zwei Zyklen zu unterteilen. Einen Zyklus bis zum ersten Abschluss (undergraduate) und einen Zyklus bis zum zweiten (graduate). An letzterem sollten in der Regel nur jene teilnehmen können, die ersteren, mit einer Mindestdauer von drei Jahren, erfolgreich abgeschlossen hatten.
Was noch neu war: Module - also nach inhaltlichen und thematischen Gesichtspunkten gebildete Einheiten, die sich über maximal zwei Semester erstrecken. Diese sollten sich aus verschiedenen Lehr- und Lernformen (Übungen, Vorlesungen, Seminare) zusammensetzen.
Zeit, das Programm umzusetzen, haben die Länder und damit Hochschulen bis 2010. 40 europäische Staaten sind mittlerweile Willens, sich daran zu halten. Sie werden - oder machen es bereits - die Diplom-, Magister- und Examens-Studiengänge nach und nach abschaffen beziehungsweise auslaufen lassen und durch neue Abschlüsse ersetzen: Bachelor (undergraduate) und Master (graduate). Bielefeld ist der Vorreiter.
Schon der erste Abschluss soll den Absolventen die Türen für den Arbeitsmarkt öffnen. Der zweite, gewissermaßen das Sahnehhäubchen, dient der Weiterbildung oder Qualifizierung - beispielsweise für das Lehramt. Genannt wird dieses Modell auch »konsekutives Studium«.
Bisher sah das folgendermaßen aus: Man schrieb sich an der Universität ein, in dem Glauben, sie nach neun oder zehn Semestern erfolgreich wieder zu verlassen. Jetzt haben Studenten aber schon nach sechs Semestern die Möglichkeit, ihre akademische Laufbahn zu beenden - eben mit dem Bachelor (B.A.). Wer noch nicht arbeiten möchte oder kann, geht in die zweite Stufe. Denn - und das ist das große Problem - noch längst nicht alle Arbeitgeber haben sich auf die neuen Abschlüsse eingestellt. Gerade Absolventen mit geistes- oder sprachwissenschaftlicher Ausbildung müssen sich noch zurechtfinden.
Daniel Wendrich hat sich nicht benachteiligt gefühlt. Wohl auch, weil er vor seinen Studium eine Ausbildung als Mediengestalter gemacht hatte. »Als die Kollegen gesehen haben, dass ich genauso fundierte Fachkenntnisse bieten kann wie sie als Diplom-Informatiker, haben sie die Frotzeleien schnell eingestellt.«

Artikel vom 06.12.2005