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Die Ersten mit B.A. in der Tasche

Von Laura-Lena Förster
Wie studiert es sich in einem Fach, das so noch nie angeboten wurde? Dessen Studienordnung ständigen Korrekturen ausgesetzt ist? Dessen Abschluss noch völlig unbekannt ist? Gut, aber irgendwie auch nicht. Maria-A. Voigt, Daniel Wendrich und Lenka Handt gehörten vor drei Jahren zu jenen, die erstmals ein Bachelor-Studium an der Uni Bielefeld aufnahmen. Viele Prüfungen mussten sie ablegen, viel über einen relativ kurzen Zeitraum leisten. Der Lohn: ein Hochschulabschluss schon nach sechs Semestern.

Mit einem Bachelor, kurz B.A., in der Tasche kann der Weg in zwei Richtungen gehen. Ins Berufsleben oder in den Hörsaal. Wer mag, kann noch einen Master und eine Promotion draufsetzen, muss dies aber nicht, wenn das Ziel nur ein akademischer Grad ist.
Daniel Wendrich hat sich von der Universität vorerst verabschiedet. Er arbeitet jetzt bei der Düsseldorfer Medienproduktionsfirma TWT Interac- tive als Softwareentwickler und Webprogrammierer. Seine Kommilitoninnen zögern den Schritt in die Berufswelt noch hinaus. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Seit 2000 lebt die gebürtige Tschechin Lenka Handt in Deutschland. Ihr Studium nahm sie im Wintersemester 2002/03 noch mit dem Gedanken auf, irgendwann einen Magister abzulegen. Erst in der Einführungswoche wurde sie eines Besseren belehrt. »Alle sprachen ständig vom B.A.«, erzählt sie. »Ich habe mich dann erkundigt und mehr von dem neuen Modell erfahren.« Was für sie bedeutete, ein Kern- und ein Nebenfach auszuwählen, nämlich Linguistik und Deutsch als Fremdsprache.
Der Linguistik ist sie auch im Master treu geblieben. Begonnen hat sie den konsekutiven Studiengang in diesem Semester, beenden möchte sie ihn aber lieber heute als morgen. »Ich will etwas Interkulturelles machen, idealerweise im Goethe-Institut arbeiten. Ein Master ist dafür eigentlich nicht notwendig.«
Der Traum von Maria-A. Voigt lässt sich dagegen nur mit einem zweiten Abschluss verwirklichen. Sie will Gymnasiallehrerin werden, vorzugsweise bilingual unterrichten. Denn das hat sie während eines Praktikums an einer Heepener Schule gemerkt: Es ist genau ihr Ding. Fehlt nach dem B.A. in Anglistik und Sozialwissenschaften also nur noch der Master of Education. Leider sieht dieser nicht einen englischen Kursus vor. »Wenn ich also endlich fertig bin, habe ich zwei Jahre kein Englisch mehr gesprochen, soll es aber unterrichten«, bemängelt sie.
Warum das so ist, hängt mit der Studienordnung zusammen.


»Wer Lehrer werden möchte, kann seinen Bachelor auf zwei Weisen organisieren. Entweder studiert er ein Fach plus Pädagogik und holt das zweite Fach im Master auf. Oder er belegt von Anfang an zwei Fächer und konzentriert sich später auf Pädagogik.«
Maria-A. Voigt hat sich für ersteres entschieden. Ganz einfach, weil sie sich zu Beginn ihres Studiums über ihr Berufsziel noch nicht im Klaren war.
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Jetzt, wo sieÕs weiß, kann sie einen vermeintlichen Vorteil des Bachelors nicht mehr nachvollziehen - den der Zeitersparnis. »Ohne einen Master wird niemand Lehrerin. In der Zeit hätte ich genauso gut nach dem alten Modell studieren können.« Natürlich: Froh ist sie schon, nach sechs Semestern und mit nur 23 Jahren einen universitären Abschluss geschafft zu haben. Dafür war der Aufwand aber auch (zu) groß.
»Es ist enorm anstrengend, allem gerecht zu werden. Die Professoren stellen zu hohe Erwartungen«, betont sie. Allein in Anglistik wurde jeder Kursus mit einer Klausur abgeschlossen. Das bedeutete 27 Leistungsnachweise nur im Kernfach. Plus Hausarbeiten, plus Referate, plus Protokolle. »Anfangs waren die Anforderungen für die Leistungsnachweise sehr beliebig. Nach Protesten der Studenten wurde das besser.«
Dennoch: Für Aktivitäten außerhalb des Studiums blieb kaum



Zeit. In der Fachschaft engagierte sich Maria-A. Voigt, befürchtet aber, dass es in Zukunft nur wenige geben wird, die freiwillig Aufgaben übernehmen. »Solange man dafür keine Punkte bekommt, ist es schwierig, beides unter einen Hut zu bringen.«
Als strikt empfand auch Daniel Wendrich seinen Studienplan. Wenn auch im positiven Sinn. »Ich habe trotzdem Zeit gefunden, mich in meinen Interessen zu verwirklichen.« Dabei geholfen habe vor allem die gute Atmosphäre in der Fakultät und die Hilfsbereitschaft des Lehrpersonals. Er sei bei Fragen oder Problemen immer auf offene Türen gestoßen und konnte selbst in Vorlesungen Fragen stellen.
Die Hochschulkultur bewertet Lenka Handt ebenso gut. »Hier gibt es nicht so eine ausgeprägte Hierarchie zwischen Professoren und Studenten wie in Tschechien.« Unzufrieden war sie anfangs dennoch - vom Druck und von Seminaren, die sie nicht interessierten, laut Studienordnung aber vorgeschrieben waren. Die Pflicht, sich permanent einer Prü-
fung zu unterziehen, schätzt sie aber im Nachhinein. »So hat man jederzeit eine realistische Einschätzung darüber, wo man steht. Außerdem sieht der künftige Arbeitgeber, was ein Mensch über einen längeren Zeitraum alles leisten kann.«
Und was sagt die Universität Bielefeld über ihre »Versuchskaninchen«? »Natürlich war es für die ersten B.A.-Stu-denten schwierig«, zieht Ulrike Bentlage, Leiterin der Marketing-Abteilung der Uni, ein Fazit. »Aber sie haben gezeigt: Es geht. Und sowohl für ein zweites Studium als auch für den Beruf öffnen sich mit dem B.A. Türen.«
l Grundsätzliche Informationen über den Bachelor-Abschluss an der Universität Bielefeld finden Sie auf der folgenden Seite.

Artikel vom 06.12.2005