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»Homing« liegt im Trend
Zu Hause fühlt der Mensch
sich wohl


Von Ellen Grundmann
Der Rückzug in die eigenen vier Wände kam in den 1980er Jahren groß raus. Die Amerikanerin Faith Popcorn prägte den Begriff »Cocooning« und beschrieb damit einen Trend, der das Herz eines jeden Stubenhockers höher schlagen ließ. Eingehüllt wie in einen Kokon, wird das Zuhause zu einer sicheren Festung.
Edel-Cocooning oder auch »Homing« bezeichnet nun die Weiterentwicklung dieses Phänomens. »My home is my castle«, dieser Leitspruch ist aktueller denn je, ist aus der Festung doch längst ein Schlösschen geworden.
Die Wohnung wird mächtig »aufgemöbelt«. Warme Farben, kuschelige Wohnlandschaften und dekorative Accessoires schaffen die gemütliche Bühne für Kommunikation und Geselligkeit. Das Heim bietet nicht mehr nur Raum zum Schlafen, Essen und Fernsehen. Mehr als das: Man will sich in dieser Oase wohlfühlen, Geselligkeit pflegen und den Alltagsstress abschütteln.
Es ist nicht mehr nur das Heimchen, das am Herd steht. Heutzutage zaubert man gemeinsam mit Freunden die köstlichsten Leckereien nach den Rezepten von Jamie Oliver und Tim Mälzer. Der Italiener nebenan ist längst vergessen. Ins Kino? Warum, wenn man das Filmerlebnis ebenso gut mit Freunden zu Hause genießen kann? Auch Spieleabende erfreuen sich großer Beliebtheit. Längst hat der Heimwerker-Virus alle Altersgruppen infiziert, und auch das Gärtnern hat nichts mehr mit Spießbürgertum zu tun, sondern ist »stylish«.
»Wohnst du noch oder lebst du schon?«. Der Werbeslogan eines schwedischen Möbelhauses bringt das Lebensgefühl auf den Punkt. Mehr denn je steht die Behausung für Lebensqualität und ist gleichzeitig Spiegelbild der eigenen Persönlichkeit: Zeig' mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist. Die Gestaltung der eigenen Wände bekommt einen ähnlichen Rang wie die Mode unserer Kleidung.
Aber warum besinnt man sich auf Haus und Hof und frönt der deutschen Gemütlichkeit? Das Zukunftsinstitut der Trendforscher Matthias Horx und Eike Wenzel sieht eine Verbindung zwischen dem Rückzug in die neue Häuslichkeit und der zunehmenden allgemeinen Hektik in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten. Das ist nachvollziehbar: Schließlich beginnt direkt hinter der Wohnungstür der behagliche Mikrokosmos, hier bestimmt jeder selbst, wie er leben möchte. Ängste, Hektik und Stress bleiben draußen!

Artikel vom 02.12.2005