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Bangen um deutsche Geisel

43-jährige Helferin im Irak entführt - Merkel fordert Freilassung

Berlin (dpa). Erstmals seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein ist im Irak eine Deutsche entführt worden.Entführt im Irak: Susanne Osthoff (43) aus Bayern.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Entführung der 43 Jahre alten Susanne Osthoff aus Bayern sowie ihres Fahrers gestern in Berlin scharf und forderte die Freilassung. Laut ARD sollen die Geiselnehmer die Bundesregierung in einem Video aufgefordert haben, die Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung einzustellen. Sonst werde die Geisel getötet. Dafür gebe es ein Ultimatum mit einer sehr »knappen zeitlichen Einschränkung«.
Osthoff, die mit einem Araber verheiratet ist und eine 11-jährige Tochter hat, organisierte seit mehreren Jahren Hilfslieferungen in den Irak. Die Bundesregierung hatte sich nicht am Irak-Krieg beteiligt, Deutschland leistet aber Wiederaufbauhilfe und bildet in den Vereinigten Arabischen Emiraten irakische Polizisten aus.
Merkel sagte, die Bundesregierung werde »alles in ihrer Macht Stehende« tun, um die beiden Entführten in Sicherheit zu bringen und ihr Leben zu sichern.
Das Außenministerium bekam am Samstag erste Hinweise auf eine Entführung einer Deutschen im Irak. Sie sei am Freitag zu einer Überlandfahrt im Irak aufgebrochen, am Zielort aber nicht eingetroffen. Vom Samstag an sei das Amt von einer möglichen Entführung ausgegangen und habe sofort einen Krisenstab eingerichtet.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte in Washington während seiner ersten USA-Reise: »Oberste Priorität hat jetzt die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen«. Die Bundesregierung werde mit Umsicht und Vorsicht vorgehen. Das Auswärtige Amt riet den 100 im Irak lebenden Deutschen erneut dringend, das Land zu verlassen.
Bereits im Sommer hatten Terrorgruppen im Irak die jetzt entführte Deutsche im Visier. Osthoff hatte im Oktober berichtet, sie habe Entführungsdrohungen aus Kreisen von Abu Mussab al-Sarkawi erhalten. Sarkawi ist Anführer von El Kaida im Irak. US-Soldaten hätten sie aus Mossul nach Bagdad in die »Grüne Zone« in Sicherheit gebracht. Osthoff habe in Arbil im Nordirak ein Kulturzentrum aufbauen wollen und mit der Deutschen Botschaft in Bagdad sowie der kurdischen Regionalregierung Gespräche geführt.
Die Mutter der Entführten sagte, sie setze auf die Bundesregierung. Sie habe ihre Tochter seit etwa fünf Jahren nicht gesehen und von der Entführung in der Nacht zu gestern erfahren. Anja Osthoff beschrieb ihre Schwester als engagierte Persönlichkeit. »Sie ist sehr stark. Aber auch natürlich innerlich zerbrechlich«, sagte sie. Ein hoher Diplomat meinte: »Es wird keine schnelle Lösung geben.« Die Bundesregierung habe im Irak keine direkten Eingriffsmöglichkeiten.
Der Ex-Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung Bernd Schmidbauer (CDU) rechnet mit Lösegeldforderungen. Seite 4: Hintergrund und Kommentar

Artikel vom 30.11.2005