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Der erste Weltstil, der
von Europa ausging

»Barock im Vatikan«-Schau in der Bundeskunsthalle

Von Günter Wächter
Bonn (dpa). Um die Kuppel dreht sich alles. Das von Michelangelo und Giacomo della Porta geschaffene fünf Meter hohe Holzmodell der Kuppel des Petersdoms steht bis zum 19. März im Zentrum der Ausstellung »Barock im Vatikan - Kunst und Kultur am Hof der Päpste II« der Bundeskunsthalle.

Die Ausstellungsarchitektur ermögliche dem Besucher den Blick in die Achsen der barocken Zeitgeschichte, sagte der Intendant der Bundeskunsthalle, Wenzel Jacob. Sieben Pontifikate von Papst Gregor XIII. bis Clemens X. werden in der Schau abgehandelt am Beispiel von mehr als 350 Ausstellungsstücken, von denen einige erstmals außerhalb des Vatikans zu sehen sind.
Im päpstlichen Rom des späten 16. und 17. Jahrhunderts bündeln sich die religiösen, künstlerischen und wissenschaftlichen Strömungen der Epoche. Zahlreiche Pläne zum Ausbau der Kirche über der Grabstätte des Heiligen Petrus werden dem Betrachter verdeutlicht durch kurze, prägnante Computeranimationen. An der Baugeschichte des Petersdoms sind 40 Päpste und 40 Architekten beteiligt gewesen. Die Grundsteinlegung von Neu-St.Peter jährt sich 2006 zum 500. Mal.
Die einzelnen Baustufen, die wieder verworfenen und geänderten Pläne und schließlich die Entstehung des Petersdoms verdeutlicht eine 20-minütige kommentierte Computeranimation, die die TU Darmstadt unter Leitung von Prof. Manfred Koob erstellte.
Barocke Kunst wirkt im Zusammenspiel von Architektur, Malerei und Skulptur, im wohlüberlegten Zusammenwirken von Licht, Material und Farbigkeit. Der Besucher erlebt dies in der Bonner Ausstellung durch die Einbeziehung unterschiedlicher Medien wie Gemälde, Skulpturen, Bildteppiche, Paramente, Bücher, Stiche und Zeichnungen. Raum ist auch dem Stand der Wissenschaften jener Zeit gewidmet. Die Päpste der Zeit und ihre Kardinäle nutzten die großen Ordensgemeinschaften, Kunst und Wissenschaft mit Konsequenz und Erfolg zur Verherrlichung der in der katholischen Reform erneuerten Kirche.
Das 17. Jahrhundert sei so etwas wie ein Jahrhundert der Globalisierung gewesen, sagte der Kurator der Ausstellung, Arnold Nesselrath. Mit den Orden und mit den Missionen sei der Barock bis an die Grenzen der Welt gedrungen. »Er ist vielleicht der erste Weltstil, der von Europa ausgeht«.
Die umfangreiche Ausstellung schließt sich an den Vorgänger »Hochrenaissance im Vatikan« des Jahres 1998 an. Sie zog damals mehr als 220 000 Besucher an. Vom 12. April bis zum 10. Juli des kommenden Jahres wird »Barock im Vatikan« auch im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt.

Artikel vom 28.11.2005