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Notstand im Münsterland

Noch 150 000 ohne Strom - Ostwestfalen-Lippe schickt 500 Helfer

Von Christian Althoff
Münster (WB). 150 000 Menschen haben im Münsterland bei eisigen Temperaturen die dritte Nacht ohne Strom verbracht - und damit vielfach ohne Heizung.
Schnee und Eis waren zu schwer: In Ochtrup brach dieser Mast zusammen. Foto: dpa

Aus Ostwestfalen-Lippe sind deshalb am Wochenende 500 Feuerwehrleute, Kräfte des Technischen Hilfeswerkes (THW) und der Stadtwerke Bielefeld zur Hilfe geeilt. Der für Deutschland beispiellose Zusammenbruch der Energieversorgung hatte Freitag gegen 17 Uhr begonnen, nachdem sich armdicke Eispanzer um Hochspannungsleitungen gelegt hatten und nasser Schnee die Stahlgittermasten zusätzlich belastete. 50 Masten des Versorgers RWE brachen zusammen oder wurden beschädigt.
Etwa 364 000 Menschen waren daraufhin am Freitagabend ohne Strom. Glimpflich kamen im Kreis Minden-Lübbecke die 114 000 Bewohner der Orte Lübbecke, Hüllhorst, Stemwede, Preußisch-Oldendorf, Espelkamp und Rahden davon, die um 21.15 Uhr wieder am Netz hingen. »Gerade noch rechtzeitig, denn viele Milchbauern hätten ihre Kühe eigentlich schon am Spätnachmittag melken müssen«, sagte Kreislandwirt Karl-Heinz Becker. Er kritisierte, dass zu wenig Notstromaggregate zur Verfügung gestanden hätten.
Die übrigen 250 000 vom Stromausfall betroffenen Menschen, die vor allem im westlichen Münsterland wohnen, mussten länger ausharren. 100 000 hatten erst gestern Nachmittag wieder Strom, die übrigen 150 000 hofften, heute wieder versorgt zu werden. In den Kreisen Borken und Steinfurt wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Turnhallen, deren Heizungen mit Notstromaggregaten betrieben werden, sind Anlauf- und Verpflegungsstellen für fröstelnde Bürger.
Die Reparaturarbeiten am Stromnetz werden durch massiven Schneefall behindert. Seit 1925 hatte in Münster noch nie in einem November 32 Zentimeter Schnee gelegen, in anderen Städten des Münsterlandes waren es sogar 50 Zentimeter.
Der Wintereinbruch mit umstürzenden Bäumen und Stromausfall traf auch die Bahn: 216 Züge verspäteten sich am Wochenende um insgesamt 117 Stunden. Etwa 50 Reisende mussten in Münster in einem Luftschutzbunker übernachten, weil Züge nicht fuhren und alle Hotels ausgebucht waren.
Auf nordrhein-westfälischen Autobahnen stoppten hohe Schneeverwehungen den Verkehr. Hunderte mussten die Nacht zum Samstag auf der A 1  in ihren Wagen verbringen. Sie wurden von DRK-Helfern mit Decken und Tee versorgt. Die A 31 bei Gronau wurde für 46 Stunden gesperrt, weil Überlandleitungen gefährlich dicht über den Fahrbahnen hingen. Die Polizei zählte am Wochenende in NRW 2000 Unfälle mit 140 Verletzten.
Die Helfer aus Ostwestfalen-Lippe waren gestern mit etwa 200 Notstromaggregaten im Einsatz: »Wir helfen vor allem Bauern, in deren klimatisierten Ställen sonst die Tiere sterben würden«, sagte Bernd Heißenberg von der Berufsfeuerwehr Bielefeld, der den Einsatz vor Ort koordiniert. Außerdem würden Melkmaschinen betrieben: »Die Kühe brüllen vor Schmerzen, wenn sie nicht gemolken werden.« Ein Großaggregat der Stadtwerke Bielefeld speist Strom in ein Umspannwerk und versorgt so eine ganze Siedlung. Dort funktionieren auch die Heizungen wieder. Seite 2: Leitartikel
Seite 3: Stromausfall in OWL

Artikel vom 28.11.2005