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In den dunklen Straßen fanden besorgte Bürger keine Ansprechpersonen.

Leitartikel
Stromausfall

Wo, bitte,
war der
Krisenstab?


Von Christian Althoff
114 000 Menschen waren betroffen, als am Freitagabend für vier Stunden der Strom in sechs Städten und Gemeinden des Kreises Minden-Lübbecke ausfiel. Dass dabei niemand zu Schaden gekommen ist, war Glück. Denn anstatt zu agieren, wartete der Kreis Minden-Lübbecke zunächst vor allem ab und hoffte auf ein Ende des Blackouts - Stunde um Stunde.
Abertausende von Kerzen brannten in den Wohnungen der ansonsten gespenstisch dunklen Städte und stellten ein erheblich erhöhtes Brandrisiko dar. Verschärfend kam hinzu, dass im Notfall die Feuerwehr nur schwer zu erreichen gewesen wäre, weil Handys und Festnetztelefone ebenfalls weitgehend ausgefallen waren. Doch anstatt in dieser Notlage die Bezirksreserve der Polizei zu alarmieren und zuhauf Streifenwagen - quasi als »mobile Notrufsäulen« - in die dunklen Straßen zu schicken, wurden lediglich ein paar Polizeiwagen aus Minden in den Altkreis Lübbecke verlegt.
Nach vier Stunden Stromausfall gepaart mit eisigem Wind herrschten in einigen Wohnungen nur noch zwölf Grad. Aber gab es beheizte Notunterkünfte, in denen zumindest Müttern mit Kindern warme Getränke und Schlafmöglichkeiten angeboten worden wären? Nein.
Und hätte es sie gegeben, wie hätten die Mütter davon erfahren sollen? Die Pressestelle der Mindener Polizei, die über Radio Verhaltensmaßregeln und Informationen hätte verbreiten können, war überhaupt nicht besetzt.
Ausgerechnet in Kliniken, die noch am besten mit Notstrom versorgt wurden, fragten die Behörden nach, ob es Probleme gebe. In den meisten Wohngebieten gab es dagegen überhaupt keine Ansprechmöglichkeiten für besorgte Bürger. So kontrollierte auch niemand, ob vielleicht Menschen in steckengebliebenen Fahrstühlen von Hochhäusern festsaßen.
Kein Vorwurf kann den vielen Feuerwehrmännern und anderen Helfern gemacht werden. Sie taten alles, um Altenheime und landwirtschaftliche Betriebe mit Notstrom zu versorgen. Doch sie stießen irgendwann an den Rand ihrer personellen und technischen Möglichkeiten. Derweil schlummerten Notstromgeneratoren von DRK, Johanniter-Unfallhilfe, Arbeiter-Samariter-Bund und Bundeswehr in ihren Lagern, weil der Kreis sie nicht angefordert hatte - und etliche Bauern, deren Kühe gemolken und deren Ferkel gewärmt werden mussten, warteten vergebens auf Strom.
Der kam gerade noch rechtzeitig wieder, bevor aus der Notlage ein Notstand wurde. Wie lange hätte der Kreis Minden-Lübbecke sonst wohl noch gewartet, bis er endlich einen Krisenstab einberufen und das Heft in die Hand genommen hätte?
Die Kreisverwaltung will in Kürze eine Katastrophenschutz-Großübung zum Thema Hochwasser planen, die im September 2006 veranstaltet werden soll. Vielleicht müsste das Thema noch einmal überdacht werden.

Artikel vom 28.11.2005