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Noch viele ungelöste Fragen beim Blick auf das Kosovo

Lipperland-Brigade im Einsatz auf dem Balkan - Lage keineswegs stabil

Aus dem Kosovo berichtet
Dirk Schröder
Prizren (WB). »Die Bedrohungslage ist überwiegend ruhig, aber keineswegs stabil.« Oberstleutnant Karsten Jahn ist Kommandeur der so genannten Task Force in Prizren im Kosovo.

Seit zwei Monaten sorgt er in der Krisenregion mit den Soldaten der Panzerbrigade 21 »Lipperland« aus Augustdorf sowie den zur Brigade gehörenden Verbänden aus Ahlen und Hemer dafür, dass sich dort ein auf gegenseitigem Vertrauen beruhendes Zusammenleben der Menschen unabhängig von Religion oder Ethnien entwickeln kann.
Der Oberstleutnant ist sich im klaren darüber, dass sich die Situation schnell wieder ändern kann. Die blutigen Auseinandersetzungen im März des vergangenen Jahres haben deutlich gezeigt, dass bei allen Fortschritten der Aufbauarbeit, zu der auch die lippischen Soldaten noch bis in den Januar hinein einen wichtigen Beitrag leisten, die Verhältnisse im Kosovo keineswegs unumkehrbar sind.
Für ein friedliches und demokratisches Kosovo braucht es noch viel Ausdauer der internationalen Gemeinschaft. Erst in diesem Monat hat die UNO, wie berichtet, die Verhandlungen über den endgültigen Status der serbischen Provinz begonnen, die überwiegend von Albanern bewohnt wird. Dabei sieht sich der von den Vereinten Nationen ernannte finnische Gesandte Martti Ahtisaari mit zwei gegensätzlichen Forderungen konfrontiert: Während die Albaner die Unabhängigkeit für das Gebiet fordern, lehnt die serbische Regierung eine Abspaltung der Region vehement ab.
Die nun anstehenden Verhandlungen beschloss der UN-Sicherheitsrat mit dem Ziel, ein multiethnisches und demokratisches Kosovo zu schaffen. Doch in Wirklichkeit sind sich auch die UNO und die EU nicht ganz klar, wie das Ergebnis eigentlich aussehen soll. Auch die Bundeswehr-Offiziere in Prizren, die hautnah die Situation in der Krisenregion täglich erleben, haben keine Vorstellung, wie eine Lösung am Ende aussehen könnte.
Die Probleme im Kosovo sind immer noch vielschichtig und nicht gerade hoffnungsvoll. Die Kriminalität steigt, Korruption ist noch längst nicht ausgeräumt und die hohe Arbeitslosigkeit von bis zu 80 Prozent trägt nicht dazu bei, den Menschen in dieser Region eine wirkliche Perspektive zu geben.
Die 800 Augustdorfer Soldaten, die insgesamt 2500 Bundeswehr-Angehörigen im Kosovo sowie die anderen an KFOR beteiligten Nationen zeigen täglich, dass sie willens und in der Lage sind, zusammen mit heimischen und internationalen Polizeikräften die Sicherheit dort zu garantieren. Ob am Erzengelkloster bei Pristina, einem der Schwerpunkte der März-Unruhen des vergangenen Jahres, ob bei der Fuß-Patrouille in Prizren - die Bundeswehr zeigt, wie sich KFOR darauf eingestellt hat, Menschen und kulturelle Objekte wirksam zu schützen.
Oberstleutnant Jahn nennt das Verhältnis der Zivilbevölkerung zu den Soldaten »spitze«. Auch wenn bei einer überraschenden Straßenkontrolle die Autofahrer schon einmal eine Stunde lang im Stau stehen, hätten sie Verständnis für diese Maßnahmen.
Die Bundeswehr unterstützt die Bevölkerung, indem sie zusammen mit zivilen Organisationen bei der Wiederherstellung zerstörter Häuser hilft oder beim Aufbau einer Schule. Erst in diesen Tagen geschah dies in dem kleinen Ort Kusnin, verbunden mit einem Kinderfest. Das sei ein Riesenauflauf gewesen, freut sich Jahn noch immer über die große Resonanz. Doch etwas möchte der Oberstleutnant noch erleben: Dass er ein richtiges Lachen bei den Kindern sieht, denn dieses haben die Jungen und Mädchen verlernt.
Das WESTFALEN-BLATT wird in der nächsten Woche weiter über den Friedensdienst der Augustdorfer Soldaten berichten. Aber an diesem Samstag feiern diese erst einmal »Bergfest«. Die Hälfte der Zeit ihres viermonatigen Kosovo-Einsatzes ist geschafft.

Artikel vom 26.11.2005