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Entdeckung des Tons in der Evolution des Menschen

Ein-Mann-Stück der Theaterwerkstatt Bethel zog auch die kleinen Zuschauer in seinen Bann


Bethel (Rga). Als ein kunterbunter Kinderspaß, mit einer Tiefe, die das Stück auch für Erwachsene spannend macht, bietet das Ein-Mann-Stück »Ton in Ton« einen gelungenen Ausschnitt aus der Welt der Töne. Die Vielfalt und Komplexität kommt durch die Faszination eines Phänomens zum Ausdruck, das wir in unserem Lebensalltag kaum noch beachten.
Vor aller Sprache steht die Erkenntnis, dass Dinge tonvoll sind. Wie die Entdeckung des Tons in grauer Vorzeit vielleicht stattgefunden haben kann, zelebriert Theater-Schauspieler Matthias Hecht vor leuchtenden Kinderaugen. Nach einigen unglücklichen Versuchen mit einer Feder, und schon ist er entdeckt, der Ton! Irgendetwas Lebendiges haben sie ja schon an sich, die Klänge. Dennoch muss der Entdecker der Geräusche feststellen, dass nicht alles, was Töne produziert, lebt.
Zwischen Steinzeit und Moderne verhaftet verbleibt der Ton als eine in der Zeit beständige Konstante. Seit seiner Entdeckung gehört er zum Leben der Menschen. Er ist ein Phänomen, das ihn in seiner Evolution begleitet wie kein zweites. Ein anthropologisches Thema, welches Matthias Hecht derart mit kindlichem Charme versehen hat, dass es auch und gerade für Kinder geeignet ist. Denn Töne bedeuten Freude, sind spannend, und bilden ein zentrales Thema in ihrer Entwicklung.
Eine systematische Verwendung von Tönen und Lautfolgen, der sinnvolle und zweckgerichtete Gebrauch von so genannten Phonem- oder Tonsequenzen, und fertig ist die Sprache. Doch der Protagonist unseres Stücks, der in lautlicher Ähnlichkeit zu »Ton« nur Tom heißen kann, kommuniziert auch mit Tieren. Sind Töne also selbst bereits eine Sprache für sich?
Es sind zweifelsohne die anthropologischen Fragen, die Schauspieler Matthias Hecht und Regisseur Matthias Gräßlin in ihrem Stück thematisieren. Dabei geht es weniger um ihre Beantwortung als vielmehr darum, sich überhaupt mit diesem zentralen Aspekt der Menschheit zu beschäftigen. Allzu sehr sind Töne aus dem Fokus unseres alltäglichen Lebens verschwunden, obwohl sie in den Sprachwissenschaften immerhin eine lange Tradition haben.
Neben all der Vielschichtigkeit dieses Theaterspiels war es ein ebenso heiterer wie faszinierender Spaß. Gerade für die Kinder stellt die Entdeckung der Töne für ihre individuelle Entwicklung eine Notwendigkeit dar. In diesem Sinne können Töne sogar gezielt eingesetzt werden.
Dies bewiesen an diesem Nachmittag in der Theaterwerkstatt Bethel die Kinder, die immerhin fünfundvierzig Minuten gebannt auf ihren Stühlen saßen, und bedächtig den Klangwelten von Matthias Hecht lauschten. Sich in dieser besinnlichen Jahreszeit einmal darauf zu besinnen, welche Macht und welchen Nutzen Töne haben können, gehört sicherlich zu dem Anspruch des Stückes. Einem Anspruch, dem es voll und ganz entspricht.

Artikel vom 30.11.2005