26.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Doppelsieg für das »Rats«

Schülerinnen gewinnen Landeswettbewerb »Alte Sprachen«

Bielefeld (hu). Die Nachricht vom Erfolg erreichte die Lehrer des Ratsgymnasiums kurz und knapp. Auf einer Telefonnotiz hatte die Sekretärin das Feld »Zur Kenntnisnahme« angekreuzt und als Stichwort aufgeschrieben: »Doppelsieg für das Rats«. Errungen haben diesen Catharina Conzen (18) und Leonie Niedergassel (19) bei dem Landeswettbewerb »Alte Sprachen - Antike Kultur« - zum ersten Mal überhaupt.

Wer auch immer Klischees im Kopf hat über ausgezeichnete Schüler im Fach Latein, der sollte sie schleunigst vergessen. Denn Catharina Conzen und Leonie Niedergassel sind alles andere als klassische Bücherwürmer. Aufgeschlossen und bescheiden erzählen sie von ihrem Erfolg bei dem Wettbewerb, der seit 1984 vom Aachener Kaiser-Karls-Gymnasium und dem Deutschen Altphilologenverband ausgerichtet wird.
87 Schülerinnen und Schüler aus ganz Nordrhein-Westfalen haben diese Mal mitgemacht, los ging es bereits im Oktober vergangenen Jahres mit der Stellung der Aufgabe für die erste Runde. »Dabei mussten wir eine 15-seitige Hausarbeit schreiben«, erklärt Catharina Conzen. Sie suchte sich einen Text des Dichters Ovid »Selbstliebe und Liebe« aus, Leonie Niedergassel beschäftigte sich mit der Frage »Cicero - Philosoph oder Philosophieprofessor«.
Nach der Auswahl der Jury blieben 45 Teilnehmer übrig, die beiden Ratsgymnasiastinnen waren mit dabei. Im Sommer folgte dann eine dreistündige Klausur mit der Übersetzung eines anspruchsvollen lateinischen Prosatextes. »Darin berichtete Christoph Kolumbus von dem Handel mit den Indianern. Dieses mittelalterliche Latein fand ich leichter als das antike«, erzählt Leonie Niedergassel.
Wieder siebte die Jury aus, wieder kamen die Bielefelderinnen weiter. Mit acht weiteren Schülern fuhren sie in der vergangenen Woche zum Finale nach Aachen - ohne sich selbst dabei unter Druck zu setzen. »Wir wollten uns ein schönes Wochenende machen, und zu verlieren hatten wir ohnehin nichts«, so die beiden Schülerinnen. Am Tag der letzten Runde am vergangenen Samstag, eines Kolloquiums vor 15 Jury-Mitgliedern, setzte dann aber doch etwas Lampenfieber ein. Catharina Conzen: »Ich war als letzte dran. So hatte ich den ganzen Tag Zeit, mich aufzuregen.«
Die Themen, die sich die beiden angehenden Abiturientinnen ausgesucht und sechs Wochen lang vorbereitet hatten, hatten es in sich. Leonie Niedergassel sprach zu »Gottesbeweise bei Cicero und Thomas von Aquin«, Catharina Conzen zu »Suizid. Eine Betrachtung des Wertewandels von der Antike bis zum Islam«.
Damit überzeugten sie die Jury schließlich so sehr, dass sie beide den ersten Preis gewannen - zusammen mit einem weiteren Schüler aus Lüdinghausen. Als Preis erhalten sie ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes, die Leonie und Catharina bei Wohngeld, Auslandsaufenthalten, Bücherkauf und Sprachkursen unterstützen wird. »Die Stiftung fördert nur 0,5 Prozent aller Studenten. Dies ist also eine besondere Auszeichnung«, so Lateinlehrer Jürgen Taesler, der die beiden Schülerinnen bei dem Wettbewerb begleitet hat. Pläne für ein Studium nach dem Abitur im kommenden Frühjahr haben beide schon. Catharina hat sich für Medizin entschieden, Leonie schwankt noch zwischen Latein und Theologie »auf Lehramt« und Journalistik.
Im Mai dürfen sie im italienischen Arpino 100 Kilometer südöstlich von Rom an einem Wettbewerb teilnehmen, den Taesler als »Europameisterschaft für Latein« bezeichnet. Und auch dafür haben sich die Bielefelderinnen ein Ziel gesetzt. »Da machen wir uns wieder ein schönes Wochenende«.

Artikel vom 26.11.2005