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Bei Karstadt bedienen nur die Chefs

Gütersloh: Personal darf nicht arbeiten, Manager übernehmen Sonntagsverkauf

»Karstädter halten zusammen«: Direktor Reimer Peters (Mitte) mit Leiterin Eleonore Jennes und Knut Werle, Chef der Filiale Kaiserslautern.

Von Wolfgang Wotke (Text und Foto)
Gütersloh (WB). Verkaufsoffener Adventssonntag bei Karstadt in Gütersloh. Was die meisten Kunden nicht ahnten - sie wurden gestern von der »Elite« des Unternehmens bedient. Denn: anstatt der vertrauten Gesichter standen diesmal Geschäftsführer und leitende Angestellte anderer Karstadt-Filialen hinter den Tresen. Ein Kuriosum in der Geschichte der deutschen Kaufhäuser.
Hintergrund dieser logistischen Meisterleistung war das »Nein« zur Sonntagsarbeit durch den Gütersloher Betriebsrat. »Viele Mitarbeiter hätten gerne gearbeitet, aber sie durften nicht«, sagte Güterslohs Karstadt-Leiterin Eleonore Jennes. »Wir haben gute Kontakte zu anderen Großkaufhäusern in ganz Europa. Aber diesen Fall aus Gütersloh dürfen wir dort nicht erzählen. Man glaubt uns nicht, dass so etwas in Deutschland möglich ist«, sagte kopfschüttelnd Verkaufsdirektor Reimer Peters aus Essen, der ebenfalls in Gütersloh die Ärmel aufkrempelte. Der Karstadt-Konzern befinde sich in der Sanierungsphase. Da müssten doch eigentlich alle mit anfassen. Peters weiter: »30 Karstadt-Filialen in Deutschland haben am 1. Advent geöffnet. Nur in Gütersloh gab es Probleme.« Warum? »Das kann nur der Betriebsrat beantworten.«
Von Hamburg bis Kaiserslautern, von Dortmund bis Berlin: rund 70 Geschäftsführer und leitende Angestellte wurden kurzerhand in Gütersloh zusammengezogen und haben den »Laden geschmissen«. Kaum ein Kunde hat's gemerkt. Die »Chefetage« des Konzerns stand an den Kassen oder führte freundliche Verkaufsgespräche. Selbst das Restaurant war geöffnet. »Das haben wir für einen Tag an das Parkhotel Gütersloh verpachtet«, berichtet Eleonore Jennes stolz. Fazit: »Top-Umsätze, alles klappte hervorragend.« Als Dankeschön gab es zum Feierabend für alle ehrenamtlichen »Chef-Verkäufer« eine große Flasche »Schampus«. Güterslohs Betriebsratsvorsitzende Beate Kaupenjohann war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Artikel vom 28.11.2005