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Medienkanzler, Medienkritiker
und jetzt Medienberater

Alt-Kanzler Schröder berät mit Michael Rignier einen guten alten Freund

Von Heinz-Peter Dietrich
Zürich (dpa). Wenn Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder am 1. Januar sein neues Büro beim Ringier-Verlag in Zürich besetzt, nimmt er als Berater unter Freunden Platz. Der größte Schweizer Verlag mit Verleger Michael Ringier (56) stand dem Kanzler und seiner Politik weitgehend wohlwollend gegenüber.

Die größte Kaufzeitung der Schweiz, das Boulevardblatt »Blick« (Auflage 275000), gilt als linksliberal. Auch wendet sich die Zeitung schon mal gegen Riesenhonorare von Firmenmanagern oder prangert neo-liberale Auswüchse an.
Als Berater von Michael Ringier hat Schröder es mit einem europäisch orientierten Verleger zu tun, der die Schweizer Enge schon lange verlassen hat. Um ein Haar wäre der Ringier-Verlag sogar so gut wie deutsch geworden, als Ringier Verhandlungen mit dem Springer-Verlag führte, die er jedoch 2002 abbrach. Die Schweizer wollten eigenständig bleiben.
In der Schweiz wurde bis in die Regierung hinein ein Kulturschock befürchtet, wenn die Deutschen ihren Fuß so massiv in die eidgenössische Medientür gesetzt hätten. Seitdem hat Ringier seine Ausdehnung vor allem nach Osteuropa beschleunigt, wo er jetzt in Rumänien, Serbien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn mehr als 40 Zeitungen und Zeitschriften verlegt und druckt.
Ebenfalls um Deutschland ging es 2002 beim spektakulären Skandal um den Schweizer Botschafter in Berlin, Thomas Borer. Ringiers »SonntagsBlick« hatte zu Ostern berichtet, dass Borer angeblich ein Verhältnis mit einer als zwielichtig dargestellten Dame gehabt habe. Die Geschichte endete im Fiasko. Zwar trat Borer aus dem diplomatischen Dienst aus, aber Michael Ringier musste sich öffentlich entschuldigen und einen teuren Vergleich eingehen. Er habe daraus gelernt, sagte er. »Im Wettbewerb um Aufmerksamkeit droht gutes journalistisches Handwerk verdrängt zu werden. Dieser Gefahr wollen wir mit erhöhter Wachsamkeit und mit Sorgfalt begegnen«, lautete seine Schlussfolgerung.
Im ehemaligen Medienkanzler Schröder, der gerade zum Ende seiner Amtszeit auch mit Journalisten rüde umgehen zu müssen glaubte, wird er damit wohl einen Verbündeten haben. Vielleicht erwartet er von seinem neuen Berater auch eine Erklärung dafür, dass Ringiers in Potsdam erscheinende Monatszeitschrift »Cicero« kürzlich Zielscheibe der deutschen Justiz wurde. Nicht nur die Redaktion selbst hatte die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Unterlagen als unangemessene Mittel bei der Suche nach undichten Stellen im Sicherheitsapparat gewertet.
Wirklich nötig, hat Schröder den Beratervertrag nicht. Einem Bundeskanzler a.D. stehen laut Ministergesetz für drei Monate die vollen Amtsbezüge zu, die derzeit bei 16870 Euro pro Monat liegen. Danach erhält Schröder - weil er älter als 55 ist und mehr als vier Jahre im Amt war - für weitere zwei Jahre und neun Monate die Hälfte der Bezüge.
Anschließend wird das Ruhegehalt gezahlt, das für den scheidenden Kanzler bei knapp 35 Prozent des Amtsgehaltes liegt, also 74 000 Euro pro Jahr. Nach dem Ausscheiden aus dem Parlament behalten Alt-Kanzler wie Helmut Kohl und Helmut Schmidt auch, so sie Wert darauf legen, ein Büro mit Sekretariat und einem Referenten.

Artikel vom 25.11.2005