25.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Giftbrühe fließt nach Russland

Die Umweltkatastrophe in China nimmt immer größere Ausmaße an

Peking (dpa). Knapp zwei Wochen nach der Explosion in einem chinesischen Chemiewerk nimmt die Umweltkatastrophe im Nordosten Chinas immer größere Ausmaße an.

Chinas Regierung warnte Russland gestern vor dem 80 Kilometer langen Giftteppich in dem Fluss Songhua. Er mündet an der Grenze beider Staaten in den Amur. Das mit 100 Tonnen hochgiftigem Benzol und Nitrobenzol verunreinigte Wasser treibt auf die am Amur liegende russische Großstadt Chabarowsk zu. Die Giftfracht erreichte die chinesische Millionenstadt Harbin, wo die Wasserversorgung bereits am Vortag eingestellt wurde.
Bei einem weiteren Chemieunglück, das gestern bekannt wurde, trat in Chongqing in Südwestchina ebenfalls Benzol aus. Das Gift floss in einen Bach. Die Explosion in dem Werk tötete einen Menschen und verletzte drei. Die Behörden warnten vor Vergiftungen.
Russland ist besorgt wegen der drohenden Verschmutzung des Amur durch das verseuchte Wasser aus China. Der regionale Zivilschutz will von heute an den Notstand im Gebiet von Chabarowsk ausrufen. In der 600 000 Einwohner zählenden Grenzstadt kauften die Menschen wie im chinesischen Harbin alles Mineralwasser in den Geschäften auf. Das verunreinigte Wasser soll am 1. Dezember Chabarowsk erreichen. Chinas Regierung erklärte dagegen, es werde noch zwei Wochen dauern. Auf russischer Seite entnehmen etwa 1,5 Millionen Menschen ihr Trinkwasser aus dem Amur.
Am Sonntag vor einer Woche hatten sich mehrere Explosionen in der »Jilin Petroleum and Chemical Company« ereignet. Mehr als 10 000 Menschen mussten nahe der Stadt Jilin ihre Häuser verlassen. Das Fernsehen zeigte, wie sich gelbe und schwarze Rauchschwaden über einem Wohngebiet ausbreiteten.
In der Vier-Millionen-Stadt Harbin mussten die Menschen gestern den zweiten Tag ohne Leitungswasser auskommen. Die Behörden bemühten sich, tonnenweise Trinkwasser aus Nachbarregionen in die Stadt zu schaffen. Neue Brunnen wurden gebohrt, um mehr Grundwasser zu gewinnen. Lediglich 90 Prozent der Einwohner hätten genug Trinkwasser für drei Tage, hieß es. Die Wasserversorgung soll dagegen mindestens vier Tage oder länger ausfallen. Die Schulen in Harbin wurden vorerst geschlossen. Viele Menschen verließen die Stadt.
Um den Fluss zu entgiften, suchten die chinesischen Behörden große Mengen Aktivkohle. Für die Reinigung des Wassers seien 1400 Tonnen Aktivkohle nötig, doch stünden nur 700 Tonnen zur Verfügung.

Artikel vom 25.11.2005