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Airport Kassel im Visier der EU

SPD geht mit einer neuen Richtlinie gegen Paderborn-Konkurrenz vor

Von Karl Pickhardt
Paderborn (WB). Die SPD-Bundestagsabgeordneten Ute Berg (Paderborn) und Lothar Ibrügger (Minden) sowie die Europaabgeordnete Mechtild Rothe (SPD/Bad Lippspringe) wollen mit einer neuen EU-Beihilferichtlinie gegen den Neubau des Flughafens Kassel vorgehen.

Weil dem Nachbarairport Paderborn rote Zahlen drohen, setzen die drei SPD-Politiker auf eine noch unveröffentlichte Leitlinie der Europäischen Union zur staatlichen Finanzierung von Flughäfen. »Die EU setzt in diesem Dokument staatlichen Subventionen für Flughäfen enge Grenzen, wenn die Wirtschaftlichkeit benachbarter Flughäfen dadurch gefährdet wird«, erklärte Ute Berg gestern in Berlin. Die drei Parlamentarier haben den Bund und die Europäische Kommission um Prüfung gebeten, ob diese Leitlinien auch für die Planungen in Kassel Konsequenzen haben könnten.
So soll geklärt werden, ob ein weiterer Flughafen aus EU-rechtlicher Sicht durch staatliche Mittel subventioniert werden darf. Auf diesem Wege, so hoffen die SPD-Abgeordneten, könnte das Vorhaben der hessischen Landesregierung doch noch gestoppt werden. Berg, Rothe und Ibrügger werten den Flughafenneubau in Nordhessen als ein »ökonomisch unsinniges Prestigeobjekt« von Ministerpräsident Roland Koch (CDU).
Selbst wenn keinerlei Gelder aus Brüssel nach Kassel flössen, bleibe das europäische Beihilfe-Regime maßgeblich, stellte die Europaabgeordnete Rothe ergänzend dazu klar. Nach bisheriger Planung soll der Flughafen Kassel zu zwei Dritteln aus Landesgeldern und zu einem Drittel von der am Ausgleichsstock hängenden Stadt Kassel und der Region finanziert werden. In Ostwestfalen-Lippe wird der mindestens 151 Millionen Euro teure Airport mit Sorge gesehen, weil damit die Wirtschaftlichkeit des Paderborner Flughafens in Büren-Ahden akut gefährdet ist.
Der Flughafen Paderborn (1,3 Millionen Passagiere) schreibt als größter deutscher Regionalflughafen noch schwarze Zahlen und erwirtschaftete zuletzt einen Jahresgewinn von 1,3 Millionen Euro. 21 von 25 Regionalairports in Deutschland sind defizitär.
Das dieser Zeitung vorliegende Dokument trägt den Titel: »Gemeinschaftliche Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen«. Darin heißt es, Betriebsbeihilfen für Flughäfen oder Airlines dürften nur in Ausnahmefällen und unter strengen Auflagen in den am stärksten benachteiligten Regionen Europas und in äußersten Randlagen gewährt werden. Auch dürfe die Beihilfe »nicht dazu führen, dass Verkehrsanteile lediglich zwischen verschiedenen Verbindungen oder Luftfahrtunternehmen umverteilt werden.«
Weiter heißt es: »Sie darf vor allem zu keiner ungerechtfertigten Beeinträchtigung der Frequenzen oder der Wirtschaftlichkeit bestehender Verbindungen führen, die bereits von einem anderen Flughafen derselben Stadt, desselben Ballungsgebiets oder Flughafensystems aus nach demselben oder einem vergleichbaren Zielort bedient werden.« Nach Angaben von Ute Berg muss auch geprüft werden, ob die verwendeten Bezeichnungen wie »Ballungsgebiet« oder »Flughafen-System« einen Ansatz zu rechtlichen Auseinandersetzungen bieten.
Eine vom Paderborner Landrat Manfred Müller und von CDU-Spitzen aus dem OWL-Regionalrat erhobene Forderung nach einer Regelungskompetenz des Bundes für die Standortfestlegung von Flughäfen scheitert nach SPD-Auffassung an der Gesetzgebung. Die Länder hätten einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Standortplanungen für Flughäfen. Noch im Juni hätten die Länder während der Verkehrsministerkonferenz deutlich gemacht, dass sie eine Mitsprache des Bundes bei regionalen Projekten im Flughafenwesen nicht wünschten. Die neuen EU-Leitlinien könnten gegen Kassel-Calden hilfreicher sein, meinen heimischen SPD-Politiker.

Artikel vom 25.11.2005