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Machen Medien
Marionetten?

Paul Sahner heute im »Media-Talk«

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Auf seine journalistischen Anfänge beim WESTFALEN-BLATT hält Paul Sahner große Stücke. Mittlerweile geht der 61-jährige Chefreporter der »Bunten« bei Deutschlands Promis ein und aus - heute spricht er darüber in der Ravensberger Spinnerei.

In einer Runde mit anderen Spezialisten will Sahner die Frage des Abends klären helfen, ob wir »Marionetten der Medien« sind. »Ach wo«, sagt der Mann mit der größten Sammlung privater Handynummern. »Der mündige Bürger deckt sich mit soviel Info und Klatsch ein, wie er benötigt, um mitreden zu können.«
Umgekehrt werde ein Schuh daraus: »Schlaue Menschen benutzen die Medien als Marionette.« Natürlich weiß auch Sahner von Süchtigen, die ohne Klatsch nicht leben können. »Sollen die sich doch an dem ergötzen, was wir Journalisten fabrizieren.«
Sahner, der aus Horn-Bad Meinberg stammt, 1966 beim WESTFALEN-BLATT volontierte und »im Kreise netter Kollegen in den Redaktionen Höxter und Paderborn gleich vier, fünf Seiten füllen durfte«, weiß, dass Politiker und ihre Familien Promi-Geschichten begierig einsaugen. »Ich sehe das als eine Symbiose von Journalismus und Prominenz - keiner mag ohne den anderen sein.« Sahner zugespitzte These: »Die öffentlichen Stars reden lieber mit uns, bevor sie eine Therapie antreten.«
Gerade erst hat er mit Rudi Carrell über den Krebs geredet. Die Frau des politisch und privat abgestürzten Strauß-Sohnes Max hat ihm ihren neuen Freund vorgestellt. Scharping wurde damals wegen Sahner - vor allem aber wegen der die Story begleitenden Fotos mit Freundin am Pool - als Verteidigungsminister geschasst. Und wenn ihn heute abend in der Raspi der Promi-Anwalt Dr. Dirk Dünnwald allzu rüde angehen sollte, weil er Gefahr für die Intimsphäre seiner Mandanten wittert, wird Sahner »vielleicht Öl ins Feuer gießen« und den Promi-Juristen mal drauf ansprechen, inwieweit Honorarhöhe und Aufgeregtheit zusammenhängen . . .
Der Regisseur Dieter Wedel hat ihm verraten, er habe wegen Angela Merkel erstmals die Union gewählt, aber wie klatsch-und-tratsch-tauglich ist die Kanzlerin? »Sie ist vor allem eine harte Arbeiterin, die die Fehler ihres Vorgängers nicht machen wird«, meint Sahner und erinnert an die Debatte um Schröders Brioni-Anzüge. »Aber auch das neue Kabinett hat genügend interessante Leute für den Boulevard.« Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Beispiel: Kann der überhaupt genügend Englisch für sein Amt? »Es muss ja nicht gleich ein Jürgen Trittin dabei sein, dem wir Journalisten zusehen durften, wie er seine Vorliebe für sündhaft teure Weine auslebte.«
Der »Media-Talk« in der Raspi kommt auf Einladung des Fachbereichs Medienwirtschaft der Fachhochschule des Mittelstands zustande. Mit dabei: Michael Wulf (Geschäftsführender Chefredakteur von RTL Television), Dr. Silvana Koch-Mehrin (FDP-Europaabgeordnete), Hans-Jörg Vehlewald (Chefreporter Politik bei »Bild«), Wolfram Winter (Geschäftsführer NBC Universal) und Dr. Dirk Dünnwald (Anwalt für Medienrecht).

Artikel vom 24.11.2005