25.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Sind wir Marionetten der Medien?!

Journalisten von »Bild«, »Bunte« und RTL diskutierten beim Media.Talk

von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Wie groß ist der Einfluss der Medien? Funktioniert Politik ohne Medien? Sind Medien die vierte Gewalt im Staat? Durfte die »Bild«-Zeitung führende Politiker mit »Lügen«-Nasen zum Gespött der Republik machen?

Es ist ein ewig altes und doch immer wieder aufs Neue brisantes Thema, das die Chefredakteure Michael Wulf (RTL) und Paul Sahner (»Bunte«), der »Bild«-Chefreporter Hans-Jörg Vehlewald, die Bundestagsabgeordnete Gudrun Kopp (FDP), Wolfram Winter, Geschäftsführer der Universal Studio Networks Deutschland, sowie der Medienrechtler Dirk Dünnwald gestern Abend in Bielefeld beim 4. Media.Talk der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) diskutierten. »Sind wir Marionetten der Medien?!«, lautete die Frage.
Wer sich auf Medien einlässt, und das tun insbesondere Politiker, werde früher oder später sein »Aha-Erlebnis« haben, warnte Winter, früher Unternehmenssprecher beim Sportfernsehen DSF, vor der Kraft der Medien. »Der Begriff Marionette gefällt mir gar nicht«, erklärte Gudrun Kopp, räumte aber ein, dass gerade für Politiker im Wahlkampf der Medienerfolg die halbe Miete ausmache. »Wer nicht in den Medien vorkommt, ist nichts wert.« Als »erniedrigend« habe sie aber eine vor etwa zwei Jahren veröffentlichte Fotomontage ihres Parteivorsitzenden Guido Westerwelle empfunden, die ihn mit rosa Spitzenhäubchen und Kleidchen gezeigt habe. Kopp: »Das empfand ich als brutale Gewalt.«
Paul Sahner von der »Bunten«, der seine Karriere als Volontär beim WESTFALEN-BLATT begann, sah Westerwelle weniger als Opfer. »Der beherrscht doch das Medienklavier ebenso gut wie Gerhard Schröder.« Spezielle Erfahrungen im Umgang mit dem (früheren) »Medienkanzler« hat auch Sahner gemacht. Eine »wunderbare Geschichte« über Schröders Mutter habe der Kanzler verhindert. Sahner: »Manipuliert habe ich mich nicht gefühlt, ich war nur sehr enttäuscht.«
Und was ist mit den Bürgern? »Jeder hat bei der Medienvielfalt in Deutschland doch die Chance, sich seine eigene Meinung zu bilden«, ist RTL-Mann Wulf überzeugt. Und fügt hinzu: »Man kann das Fernsehen auch ausschalten.« Allerdings betont er die Bedeutung der »Quote«, also der Zahl der Fernsehzuschauer. »Quote kann man nur machen, wenn man die Menschen erreicht.«
Dass dabei vielleicht unsichtbare Grenzen überschritten werden, davon ist Medienanwalt Dünnwald überzeugt: »Viele ist rechtlich nicht in Ordnung. Aber wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.« Und doch gibt es offenbar gerade im Mediensektor für die Anwälte eine Menge Arbeit. Wolfram Winter drückte es vor den 600 Zuhörern salopp so aus: »Ich habe jede Menge von den Brüdern an der Backe gehabt.«
Die wohl größte Mediengewalt hat die »Bild«-Zeitung mit täglich zwölf Millionen Lesern. Das wissen auch die Politiker. »Natürlich versuchen sie Einfluss zu nehmen«, sagt Chefreporter Vehlewald und räumt ein: »Es ist aber auch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.« Und die Lügennasen? »Da habe ich auch erst geschluckt«, gibt der gebürtige Mindener zu. Letztlich aber habe man das Gefühl der Menschen damit auf den Punkt gebracht. »Das ist auch unsere Aufgabe.«

Artikel vom 25.11.2005