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Ein Soziologe mit Bastlerherz

Im Jahre 1992 wurde Prof. Dr. Wolfgang Krohn auf eine C-3 Professur für das Gebiet »Sozialwissenschaftliche Wissenschafts- und Technikforschung« an der Fakultät für Soziologie der Bielefelder Universität berufen. Seit 1998 ist er Prorektor der Uni für Bauangelegenheiten, Planung und Struktur. Der 1941 in Hamburg geborene Wissenschaftler, der 1970 bei Carl Friedrich von Weizsäcker an der Uni Hamburg in Philosophie promovierte, hat sich den Fragen von Laura-Lena Förster gestellt.

Warum haben Sie sich für die Arbeit an der Universität entschieden? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Ich hatte zunächst an einem Max-Planck-Institut gearbeitet, verbunden mit einem Lehrauftrag an der Universität München. Akademische Wissenschaft als Beruf hat mich schon im Studium gereizt. Und der Reiz hat bis heute nicht nachgelassen.

Was machen Sie lieber: lehren oder forschen? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Schwer zu entscheiden. Wenn man nur eins von beidem dürfte, würde ich für die Forschung optieren. Lehre ohne Forschung leckt leer. Aber es ist auch immer wieder eine spannende Aufgabe, Forschung in Lehre zu verwandeln und mit engagierten Studenten die offenen und kontroversen Probleme zu diskutieren.

Was haben Sie vor zwei Jahrzehnten auf die Frage geantwortet: »Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?«Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Vermutlich mit Franzl Beckenbauer: »Da schaun wir mal!« Ich war schon damals mit dem Arbeitsumfeld der Uni Bielefeld recht zufrieden, hatte aber auch im Auge, an eine andere Universität zu wechseln.

Warum sollten junge Menschen studieren? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: In erster Linie, weil ein Studienabschluss in der Wissensgesellschaft ihre Berufschancen und Einkommen erhöht, dann auch weil der an der Universität verbrachte Lebensabschnitt eine intellektuell, sozial und kulturell einprägsame Zeit ist. Wenn es uns gelingt, jungen Menschen darüber hinaus ein wenig Interesse und Engagement für wissenschaftliche Fragestellungen und gesellschaftliche Verantwortung abzuringen, wäre ein Studium eine rundum empfehlenswerte Sache.

Wenn Sie noch einmal Student wären, für welches Fach würden Sie sich entscheiden? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Ich habe auf der Schule zwischen einer Ingenieurswissenschaft und Philosophie/Sozialwissenschaft geschwankt. Jeder, der mich kennt, kennt auch mein Erfinder- und Bastlerherz. Also würde ich bei der zweiten Chance diese Option ausprobieren.

Welches Buch halten Sie im Studium für unverzichtbar? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Auch nach längerem Abwägen fällt mir kein Buch ein, das ich in der Nähe der »Unverzichtbarkeit« sehen würde. Für die Soziologie ist es für mich Max Weber, bei dem empirische Analyse, historische Einbettung, theoretische Reflexion und Sprachkraft in einer so einmaligen Weise zusammengeführt sind, dass ein Studium ohne das Erlebnis seiner Texte etwas ärmlich wäre.

Was gefällt Ihnen an der Universität Bielefeld besonders gut? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Der interdisziplinäre, kooperative, anspruchsvolle, jedoch unprätentiöse Zuschnitt.

Mit welchem Verkehrsmittel kommen Sie zur Bielefelder Universität?Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Mit dem Auto oder Fahrrad. Da die Strecke etwa 20 Kilometer lang ist, muss ich im Winter wegen Dunkelheit und Kälte dem Auto häufig den Vorzug geben.

Was ist Ihr Lieblingsgericht in der Mensa?Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Gemüsesuppeeintopf. Nach meiner Einschätzung kann eine Großküche bei Eintöpfen am wenigsten durch überlange Garzeiten verderben. Gerne bin ich auch an der Salatbar. Ansonsten mag ich vegetarische Menüs, denen aber häufig die Spritzigkeit fehlt.

Wann haben Sie sich das letzte Mal in der Uni verlaufen?Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Ich glaube, ich habe mich noch nie verlaufen. Grund dafür ist nicht ein mustergültiges Verweissystem, sondern ein angeborenes Orientierungsvermögen, das beinahe blind funktioniert.

Welche deutsche Universität verdient Ihrer Ansicht nach den Titel »Elite-Uni«? Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Ich finde die Terminologie irreführend. In welchen Fächern einzelne Unis Spitze sind, ergibt sich inzwischen einigermaßen gut aus Rankings. Um allerdings auf den Gebieten Studienberatung, individuelle Betreuung, praxisorientierte Curricula, forschungsnahes Lehren, universitäre Kultur, regionale Präsenz wirklich gut zu sein, müssen alle deutschen Universitäten noch eine Menge lernen oder überhaupt einmal zu lernfähigen Organisationen werden.
Was heute an Mätzchen der sogenannten akademischen Selbstverwaltung stattfindet, ist eine ziemlich sichere Barriere, um sich vor solchen Aufgaben zu schützen.

Was erhoffen Sie sich für Ihren Fachbereich von Studiengebühren?Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Gar nichts, weil - wie in der Politik - die Verbesserung der Ausgabenseite von den Aufgaben der Strukturreform ablenkt.

Wann war Ihre letzte Studentenparty?Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Das war am Ende des Sommersemesters. Die nächste Party steigt kurz vor Weihnachten.

Welchen Familienstand haben Sie? Inwieweit erfahren Sie seitens Ihrer Familie Unterstützung für Ihren Beruf?Prof. Dr. Wolfgang Krohn: Ich bin seit 35 Jahren mit derselben Frau glücklich verheiratet. Eigentlich erfahre ich keine Unterstützung, wüsste jedoch auch nicht, worin diese bestehen sollte.
Ein wenig Toleranz für zeitaufwändige Abwesenheiten muss ich zwar erwarten, dem steht aber auch der Vorteil der flexiblen Arbeitszeitgestaltung gegenüber. Wichtig ist allerdings, dass der soziale Kontext des Berufs und der der Familie nicht auseinander fallen.

Artikel vom 06.12.2005