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Tankwart steht vor einem Comeback

Shell testet neues Konzept und sieht große Chancen für die Service-Wüste Deutschland

Von Eckart Gienke
Hamburg (dpa). An einigen Shell-Stationen geht es derzeit anders zu als an einer gewöhnlichen Tankstelle. Kaum ist ein Auto vorgefahren, nähert sich ein Service-Mitarbeiter, betankt den Wagen, misst den Ölstand und prüft den Reifendruck.

»Wir haben bislang nur positive Reaktionen auf dieses Angebot erhalten«, sagt die Leiterin der Station Behringstraße im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld, Serena Semmelhack. Steht der Tankwart, der in den siebziger Jahren von den deutschen Tankstellen verschwunden ist, vor einem Comeback?
Die Meinung in der Branche ist geteilt. »Das funktioniert nur in wohlhabenden Wohngegenden, wo es nicht auf den Preis ankommt«, glaubt der Sprecher von ExxonMobil, Karl-Heinz Schult-Bornemann. Branchenführer Aral ist ebenfalls nicht euphorisch. »Wir beschäftigen schon jetzt 300 Servicekräfte, die zu betriebsstarken Zeiten an großen Stationen eingesetzt werden«, erklärt Unternehmenssprecher Detlef Brandenburg. »Für mehr sehen wir nicht das Potenzial.«
Die Deutsche Shell testet seit Mitte Juni das Tankwart-Konzept an mittlerweile 15 Stationen und sieht große Chancen für die Service-Wüste Deutschland und den Arbeitsmarkt. »Wenn wir uns nach dem Pilotprojekt entscheiden sollten, weitere Servicetankstellen einzurichten und Konkurrenten unserem Beispiel folgen, könnte sich der Tankstellenbereich zu einer Jobmaschine entwickeln«, sagt Istvan Kapitany, der Leiter des Tankstellengeschäfts bei Shell.
Die Vorteile eines besseren Tankstellen-Service liegen für den Betreiber auf der Hand: Service schafft Kundenbindung und bringt neue Stammkunden. Die kaufen nicht nur Benzin, sondern auch Motoröl, Zeitungen, Zigaretten und belegte Brötchen, die dem Pächter längst mehr Geld einbringen als der Sprit. Besonders ältere Menschen und Frauen schätzen den Service. Und schließlich suchen alle Tankstellenketten dringend nach Möglichkeiten, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden.
Das Problem sind vor allem die Kosten. Der Hamburger Service-Mitarbeiter Mark Anthony verdient an der Shell-Station 6,40 Euro in der Stunde. Das ist nicht übermäßig viel, muss aber durch Mehrumsatz erwirtschaftet werden. Bei einer Infratest-Umfrage im Auftrag der Shell bekundeten zwar 80 Prozent, sie wollten gern den Service in Anspruch nehmen. Davon sind wiederum 70 Prozent bereit, zwischen einem und fünf Euro zu bezahlen. Doch Umfrage-Ergebnisse und das tatsächliche Verhalten fallen oft nicht zusammen.

Artikel vom 26.11.2005