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Daniel Stephan zieht das Nationaltrikot aus

Ex-Welthandballer spielt nur noch für Lemgo

Dortmund/Lemgo (WB/o.k.). Immer wieder hat er sich mühevoll heran gekämpft. Gestern zog er schweren Herzens eine Konsequenz. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft muss in Zukunft ohne Regisseur Daniel Stephan auskommen.
Zermürbt von seinen gesundheitlichen Problemen, erklärte der Welthandballer des Jahres 1998 in Dortmund nach 183 Länderspielen das Ende seiner wechselvollen internationalen Karriere. 65 Tage vor der EM in der Schweiz und 14 Monate vor der WM im eigenen Land gab der Rückraum-Spieler des TBV Lemgo auf: »Es macht keinen Sinn mehr. Die Vernunft hat gesiegt. Die Entscheidung ist mir nach reiflicher Überlegung nicht leicht gefallen. Schließlich hatte ich mit der Nationalmannschaft noch große Ziele.«
Die Hoffnungen von Heiner Brand auf Stephans Rückkehr entpuppten sich somit als Wunschdenken. Voller Hoffnung auf eine dauerhafte Perspektive hatte der Bundestrainer ihn für die Vorbereitungsspiele gegen den EM-Zweiten Slowenien am Freitag (Lemgo) und Sonntag (Dortmund) wieder in die Auswahl berufen. Doch die hartnäckigen Ellbogen-Probleme lassen die harte Belastung bei einem Turnier nicht mehr zu. Nach einer Aussprache am Montag strich Brand damit einen seiner Lieblingsspieler aus dem Kader für die beiden Partien. Aus dem geplanten Comeback wurde ein Abschied. »Seine Gedanken kann ich nachvollziehen. Ich akzeptiere die Entscheidung, auch wenn mir das natürlich schwer fällt«, klagte Brand.
Es gehört zu den Besonderheiten seiner Laufbahn, dass Stephan der einzige Welthandballer ohne WM-Spiel ist. 1995 in Island saß er auf der Bank, 1997 in Japan fand das Turnier ohne deutsche Beteiligung statt. Aus der planmäßigen Karriere mit Tendenz nach oben wurde eine Achterbahnfahrt: Ein Daumenbruch verhinderte die WM-Teilnahme 1999 in Ägypten. Auf die Titelkämpfe in Frankreich 2001 (erneute Daumenoperation), Portugal 2003 (Achillessehnenriss) und Tunesien 2005 (Ellbogen) musste er ebenfalls verzichten.
Sein eiserner Wille verhalf ihm allerdings immer wieder zurück auf Topniveau: Wie bei der famosen EM 1998 in Italien, die ihm den Titel des Welthandballers einbrachte, agierte Stephan auch beim EM-Sieg der Deutschen 2004 und beim Gewinn der Silbermedaille in Athen auf höchstem Niveau. Doch nun geht zu Ende, was für ihn mit seinem ersten Länderspiel am 14. Mai 1994 gegen Ägypten begann. »Die Probleme sind eher schlimmer als besser geworden«, sagte Stephan, der zuletzt nur mit Hilfe Schmerz stillender Spritzen aufs Parkett laufen konnte.
Brands Leid ist Lemgos Freud'. Vom internationalen Rücktritt seines Stars dürfte sein TBV profitieren. In Zukunft kann sich der Regisseur voll und ganz auf seine Aufgabe beim zweimaligen deutschen Meister (1997, 2003) konzentrieren, wo er noch bis 2008 unter Vertrag steht. »Das ist ein tolles Votum für den Verein. Dazu gehört eine Menge Mut. Daniel hatte den Traum, die WM in Deutschland zu spielen. Aber wir haben ihn nicht zu dieser Entscheidung gedrängt«, äußerte sich TBV-Manager Fynn Holpert.
»Ich glaube, dass ich den Rhythmus im Verein noch schaffe«, sagt Stephan: »Aber ein großes internationales Turnier mit acht Spielen in zehn Tagen wäre für meinen Körper unmöglich.«

Artikel vom 23.11.2005