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Manfred Rommel

»Politiker, die eine Meinung äußern, aber noch gar
keine haben, sind entbehrlich.«

Leitartikel
Land und Leute hoffen

Ein Start in Würde - nun Glückauf!


Von Rolf Dressler
Gestern hat die Politik endlich wieder einmal Würde gezeigt. Über Weltanschauungsunterschiede und sperrige Parteigrenzen hinweg. Das allein schon ist ein Gewinn nach Wochen, Monaten und Jahren quälenden Kleinmuts, ideologischer Verklemmung und lähmender Rechthaberei zum Schaden von Land und Leuten.
Wollen wir uns jetzt - in der ge- botenen Bescheidenheit natürlich - vor allem deshalb gratulieren oder einander zumindest ein Glückauf zurufen, weil Deutschland zum ersten Mal in seiner wechselvollen Geschichte von einer Kanzlerin regiert wird? Oder sollte die Ermutigung nicht deutlich mehr noch zum Ausdruck bringen, was das Bürgerpublikum für die bevorstehenden vier Jahre zwingend von der nun herrschenden Koalition von CDU/CSU und SPD erwartet?
»Auf den Kanzler kommt es an« - diese Losung aus den Jahrzehnten der unumschränkten Männerdomäne an der Regierungsspitze bleibt prinzipiell bestehen, freilich mit der gewichtigen Neuerung, dass in Gestalt von Angela Merkel fortan ein Vertreter des weiblichen Geschlechts Deutschlands Geschicke lenken wird.
Die Problemlage dürfte ihr politisch-geistige Herkulesarbeit abverlangen. Und eine gehörige Portion Führungskraft.
Mit Superlativen sollte man stets betont sparsam umgehen. Vor kurzem noch waren die Sozialdemokraten mit der Parole »Angela Merkel kann es nicht« unterwegs. Es käme deshalb einer wahren Wohltat gleich, wenn auch die künftig mitregierende SPD dem Nutzen unseres schönen Landes und seiner fast 83 Millionen Bewohner in den nächsten vier Jahren klar Vorrang gäbe vor jedweder billigen Vorteilssuche zum Nachteil der Menschen. Aus einem kultivierten Umgang, wie er sich im Verlaufe der Koalitionsverhandlungen erfreulicherweise angebahnt hat, könnte eine zielbewusste Politik erwachsen, die Land und Leute spürbar voran- bringt.
Höchst abträglich wäre ein bloßes Strohfeuer, bevor die Koalitionäre sich womöglich schon vorzeitig trennen, um sich dann wie gehabt wieder von Partei-Schützengraben zu Schützengraben zu beharken.
Die Erfahrung indessen lehrt: Sehr hinderlich sind Politiker, die zwar des Rechnens kundig sind, beim Hantieren mit den Steuergeldern der Bürger aber die Gesetze der Mathematik aushebeln wollen.
Der Horizont von Politikern sollte eben nicht an der Staatskasse enden. Denn: »Wer die ganze Freiheit im Geistigen, Politischen und Kulturellen wünscht, muss unbedingt auch das Wirtschaftliche einbeziehen. Kollektive staatliche Versorgungsmaschinerien beschwören letztlich Unheil und sogar das Ende politischer und geistiger Freiheit herauf.«
Diese Mahnung von Prof. Wilhelm Röpke, neben Ludwig Erhard einer der Väter der freien und sozialen Marktwirtschaft, stammt aus den 1950er Jahren.
Sie sollte auch der Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Regierung Richtschnur sein.

Artikel vom 23.11.2005