22.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Viele Fragen sind noch offen«

E.ON Hanse legt erstmals Gaspreise offen und kündigt Preiserhöhung an

Quickborn (dpa). Der norddeutsche Energieversorger E.ON Hanse hat gestern nach heftiger Kritik an seinen Gaspreisen als erster deutscher Anbieter die Kalkulation aufgedeckt. Verbraucherschützer, die mit Kunden vor Gericht gezogen sind, äußerten sich zurückhaltend zu den vorgelegten Daten.

Gleichzeitig kündigte das Unternehmen in Quickborn (Schleswig-Holstein) seinen 550000 Kunden für Januar 2006 eine weitere Tariferhöhung um etwa zehn Prozent wegen steigender Beschaffungskosten an. Die übrigen E.ON-Regionalversorger wollen nach Angaben des Düsseldorfer Konzerns bis spätestens Ende Januar 2006 ihre Preiskalkulationen bei Strom und Gas offen legen.
E.ON Hanse habe bisher noch nicht einmal die gestiegenen Beschaffungskosten an seine Kunden im Großraum Hamburg weitergereicht, versicherte der Vorstandsvorsitzende Hans-Jakob Tiessen. Die Bezugskosten seien seit Anfang 2004 um 70 Prozent geklettert, nur 40 Prozent davon konnten an die Kunden weitergegeben werden. Einen detaillierten Schriftsatz hat das Unternehmen beim Hamburger Landgericht eingereicht, bei dem eine Sammelklage von 54 Kunden gegen die letzten drei Preiserhöhungen von insgesamt 25 Prozent anhängig ist.
Die Hamburger Verbraucherzentrale will vor einer Kommentierung zunächst den Schriftsatz von E.ON an das Gericht abwarten, sagte Geschäftsführer Günter Hörmann. So müssten die Lieferverträge und die Netzentgelte sorgfältig überprüft werden. Der Saarbrücker Gaspreisexperte Uwe Leprich sprach von einem dürren Zahlengerüst. »Es gibt mehr offene Fragen als Antworten«, sagte der Volkswirt von der Hochschule für Wirtschaft und Technik.
Der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) in Berlin erklärte, »die Gasversorger wollen zukünftig ihren Kunden die Grundlagen der Gaspreisbildung sowie der Angemessenheit der Gaspreise verdeutlichen«. Der größte kommunale Gasversorger in Deutschland, die Berliner Gasag, will seine Kalkulation im Januar offen legen. Unternehmenssprecher Klaus Haschker sagte, »auf diese Weise kann es gelingen, verloren gegangenes Vertrauen bei unseren Kunden zurück zu gewinnen.«
Der von E.ON Hanse dargestellte Gaspreis (Tarif Klassik II) enthält neben den Bezugskosten, die Mehrwertsteuer, die Vertriebs- und Netzkosten. Der Gewinnanteil liegt demnach 2005 bei 1,00 Prozent nach 1,8 Prozent im Vorjahr. Im Vergleich zu 2004 hat sich der Anteil der Bezugskosten um 5,1 Prozentpunkte erhöht und sich damit am stärksten verändert. Gaspreisexperte Leprich nannte die angegebene Gewinnmarge von einem Prozent an dem Endverbraucherpreis »grob irreführend«. Der Hauptgewinn stecke in den Netzkosten. »Was unten als Marge steht, ist fast vernachlässigbar und ein Bruchteil des realen Gewinns.« Insgesamt sei nicht klar, ob die Daten einen Durchschnittswert für das gesamte Jahr darstellten oder zu einem Stichtag erhoben wurden. Das gelte insbesondere für die üblicherweise schwankenden Beschaffungskosten, die er als überhöht einschätzt.
Auch wenn E.ON Hanse den Preis um zehn Prozent erhöhe, liege es mit seinen Preisen im Städtevergleich im unteren Viertel mit Berlin, Düsseldorf und Bochum, sagte Tiessen. Am teuersten sei der Verbrauch von jährlich 25000 Kilowattstunden in Chemnitz, Duisburg und Essen. Im europäischen Vergleich rangieren die Gaspreise in Deutschland auf mittlerem Niveau. S.4:Kommentar

Artikel vom 22.11.2005